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Kommentar Neues Call-a-Bike-SystemGute Idee, miese Umsetzung

Kommentar von Svenja Bergt

Die Bahn will Verkehrsverhalten beeinflussen - und bietet künftig nur in einem winzig kleinen Innenstadtbereich Abstellstationen für ihre Leihräder an. Doch mit unpraktischen Angeboten gewinnt man keine Fahrrad-Fans.

D ie Ziele sind groß: Nicht weniger als das Verkehrsverhalten ändern sollen die rot-weiß-silbernen Räder der Bahn, die seit Freitag in der Innenstadt stehen. Weg vom Auto, hin zu Bus, Bahn und Rad. Und tatsächlich ist die Idee dahinter gar nicht falsch: Wer ein Abo für den öffentlichen Nahverkehr hat, wird mit niedrigeren Preisen belohnt. Und das elektronische Ticket, das für den Herbst geplant ist, soll gleichzeitig zum Ausleihen der Räder genutzt werden können. Die Sache hat nur einen Haken: Die Beteiligten von Bahn bis Senatsverwaltung haben es nicht geschafft, über den Tellerrand des Berliner Zentrums hinaus zu schauen.

Raus fahren ist nicht

Denn dort konzentrieren sich die derzeit 50 Station zum Leihen und Abstellen der Räder. Gut, Prenzlauer Berg und Kreuzberg sollen perspektivisch dazu kommen. Doch dann ist erst einmal Schluss. Von der Weite innerhalb des S-Bahn-Rings, innerhalb derer man früher die DB-Fahrräder abstellen konnte, keine Spur. Wer - als Berliner oder Tourist - nur aus Versehen bis zum Mauerpark oder zum Oranienplatz fährt, muss wieder umdrehen.

Die Begründung, dass innerhalb der jetzt mit Stationen ausgestatteten Gebiete der überwiegende Teil der Fahrten stattfinde, widerspricht dem Ziel des neuen Modells: Wer Verkehrsverhalten verändern will, muss die Räder dort hinstellen, wo noch viele Fahrten mit dem Auto stattfinden, die mit einem Fahrrad leicht zu ersetzen wären. Und das Netz der Stationen dicht stricken. Denn je länger die potentiellen Nutzer zu ihrem Fahrrad laufen müssen, desto wahrscheinlicher lassen sie es gleich. Und nehmen doch das Auto.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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5 Kommentare

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  • HS
    Hans Streck

    Call a bike fix ist berechenbarer und besser! Was bringt es mir, wenn ich erstmal mit nem Smartphone auf Räderjagd gehen muss? Deshalb sind viele Stationen einfach die bessere Wahl. Das hat Paris auch schon kapiert. Das Call a bike in der ganzen Region kommen muss, am besten bundesweit, ist aber klar wie Klossbrühe.

  • L
    Logital

    Ich sehe das so:

     

    Aus Sicht der DB ist verständlich, dass sie das System umstellen. Das alte System hat mehr Kosten verursacht als Umsatz, also mussten sie was ändern.

    Für den Kunden ist die Verschlechterung kaum von der Hand zu weisen: Enweder hätte es mit einem Paukenschlag gleich 500 oder mehr Stationen geben müssen, oder man hätte in einer Übergangsphase ein Mischsystem etablieren müssen, das den Nutzer z. Bsp für die Abstellung an einer Station mit einem Preisnachlass belohnt.

     

    @ Daniel

    Kann ich verstehen, A er zumindest mit einem Smartphone (Iphone oder Android) ist das Ausleihen wirklich einfach. Außerdem siehst du dann, dass an der Kreuzung 100m weit aber ein Rad steht.

  • D
    Daniel

    Ehrlich gesagt versteh ich einen Großteil der Kritik nicht ganz. Beim alten System waren die paar Fahrräder über ein so großes Gebiet verstreut, dass man selbst an der Friedrichstraße nur hin und wieder eines sehen konnte. Das Ausleihen war kompliziert und teuer (mit Handy anrufen?!).

     

    Ich hab gestern für ein paar Strecken schon 5mal ein Rad ausgeliehen und das ging absolut super. Die Stationen sind so dicht aufgestellt, dass man (innerhalb des tatsächlich recht kleinen Gebietes) nie weit laufen muss. Die Rückgabe ist fast noch besser. Zwar kann man das Rad nur noch an den Fixpunkten zurückgeben. Dafür geht die Rückgabe in nur wenigen Sekunden. Schneller als mit einem eigenen Schloss rumzuhantieren.

    Auch wurde ich schon von mehreren Menschen angesprochen, wie man die Fahrräder ausleihen kann.

    Es ist nur logisch, dass sich einige Menschen beschweren, besonders diejenigen, die so ihr eigenes Privatrad für wenig Geld benutzen konnten.

     

    Aber ich bin überzeugt, dass allein die Nutzerzahlen dem neuen System Recht geben werden.

  • C
    czorro

    Zurück in die Zukunft!

     

    nicht nur die miese nmsetzung des projekts und seine räumliche beschränkung verdienen die aufmerksamkeit. der vergleich mit dem abgeschafften original call-a-bike ist aufschlussreicher. zwar sollen im neuen system weniger hürden und einfacheres ausleihen möglich sein, aber mit den festen stationen sind wir wieder beim system, dass mieter gegenüber eigentümern benachteiligt. im original call-a-bike war es gerade die konzeption, dass innerhalb des gesamten s-bahn-rings (!) an irgendeiner strassenecke ausgeliehen und abgestellt werden konnte der konkurrenzlose vorteil. damit war das original auf augenhöhe mit dem taxi und man konnte schneller sein, als mit dem eigenen auto oder fahrrad. diese zeitgemäße flexibilität ist nun durch die fälschung, die auch noch mit steuermitteln gestützt wird, nun vorbei. ganz zu schweigen, dass die neuen station ohne irgendeinen anspruch in den stadtraum integriert wurden und damit die stadt verschandeln, was ein paar bahnräder an strassenecken nicht geschafft haben. schade, dass hier also in vielfacher hinsicht eine verschlechterung gegenüber dem eigentlichen call-a-bike stattgefunden hat...

  • G
    grafinger

    Jetzt mal ganz einfach gefragt:

    Was soll mit dem Fahrradsystem erreicht werden?

    Bestimmt kein flächendeckendes "Weg vom Auto, hin zu Bus, Bahn und Rad."(sic!) wie von der Autorin vermutet. Denn dazu kauft man sich ein eigenes Rad oder eine Jahreskarte.

    Ein spassorientiertes Klientel dass sich spontan fürs Fahrrad entscheidet ("...wenn ich gerade Rad fahren will...") mag ja witzig aber nicht wirklich zahlreich sein.

     

    Was, liebe Svenja, glaubst Du waren die Gründe dass der Christian H. und der Josef G. mit ihrem "Call a bike" in München Hunderttausende von DM ihrer Anleger vernichtet haben?

    Etwas Hintergrundrecherche hätte Deinem Artikel sicher gut getan.