Kommentar Neue IRA: Militärisch nichts zu gewinnen
Die Anschläge der IRA-Splittergruppen richten sich gegen Sinn-Féin, haben aber den gegenteiligen Effekt. Die rücken näher an ihre einstigen Gegner, die Unionisten.
Ralf Sotscheck ist taz-Korrespondent für Großbritannien und Irland. Er lebt in Dublin.
Vielleicht hat der ehemalige Präsident von Sinn Féin recht: Ruairí Ó Brádaigh, der die Partei wegen deren Kompromisskurses 1986 verließ und Republican Sinn Féin gründete, sagte, dass immer eine Irisch-Republikanische Armee (IRA) existieren werde, solange es kein vereinigtes Irland gibt. Das war auch nach der Teilung der Insel 1922 so, als weite Teile die IRA das nicht akzeptierten, fünf Jahre später aber ihre Waffen weglegten und die Partei Fianna Fáil gründeten, die seitdem in Dublin mit kurzen Unterbrechungen regiert. Auch damals gründeten die Teilungsgegner die IRA neu.
Das Alter der Tatverdächtigen für die Morde an den beiden britischen Soldaten und dem nordirischen Polizisten von vorvergangenem Wochenende reicht von 17 bis 41. Das deutet darauf hin, dass die IRA-Splittergruppen es schaffen, junge Leute zu rekrutieren, die den bewaffneten Konflikt nur aus Erzählungen ihrer Elterngeneration kennen.
Offenbar hat man vergessen, ihnen von der Erkenntnis zu erzählen, die sich damals bei der IRA durchgesetzt hatte: dass der Krieg militärisch nicht zu gewinnen war - trotz der relativ breiten Unterstützung in den katholischen Arbeitslosenvierteln. Diese Unterstützung gibt es heute nicht. Der Sinn-Féin-Führung ist es gelungen, die große Mehrheit der Aktivisten an Bord des Friedensprozesses zu nehmen, obwohl manche Kompromisse für sie nur schwer verdaulich waren.
Die Anschläge waren deshalb auch gegen Sinn Féin gerichtet, haben jedoch den gegenteiligen Effekt: Sie schweißen die Partei mit ihren ehemaligen Feinde und jetzigen Regierungspartnern aus dem unionistischen Lager enger zusammen. Sinn Féin kann nicht mehr zurück. Die britische Regierung hat aus ihren Fehlern der Vergangenheit gelernt: Sie wird nicht wieder Soldaten auf Nordirlands Straßen patrouillieren lassen oder erneut auf Internierungen zurückgreifen, was manche Hardliner unter den Unionisten fordern. Aber auch auf deren Seite haben die wenigsten Lust auf einen neuen Krieg. So werden die Anschläge von voriger Woche Einzelfälle bleiben, die sich freilich jederzeit wiederholen können. RALF SOTSCHECK
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