Kommentar Neofaschismus und der DOSB: Selbstkritik wäre angesagt
Der Deutsche Olympische Sportbund präsentiert sich gerne als Schule der Demokratie. Nur wenn der DOSB offen über den Fall Drygalla redet, ist er darin noch glaubwürdig.
R aus mit der Sprache! Geht es um Nazis? Warum hat sich die Ruderin Nadja Drygalla aus dem Staub gemacht, nachdem der Deutsche Olympische Sportbund und der Ruderverband sie ins Gebet genommen haben? Was wissen die deutschen Verbände über die Beziehung einer ihre Sportlerinnen zum militanten Neonazi Michael Fischer? Worüber wurde wirklich mit der Ruderin gesprochen, bevor sie abgetaucht ist?
Wir sind ganz Ohr. Hallo? Nein, da kommt nichts außer peinlichen Umwegformulierungen. „Diese Geschichte“, „die Angelegenheit“ oder einfach nur „dies“ oder „etwas“. Der deutsche Sport ist an seiner Spitze vollkommen verklemmt, wenn es um die Benennung eines gesellschaftlichen Problems geht, das nun auch die Olympiamannschaft zumindest berührt hat, den Neofaschismus in Deutschland.
ist Sportredakteur der taz und derzeit in London.
Der DOSB präsentiert sich gerne als Schule der Demokratie, die Vereine sollen die Klassenzimmer sein. Er hat eine Päambel in seiner Satzung, in der „ein humanistisch geprägtes Menschenbild“ beschworen wird. Für die Vereine gibt es Informationsbroschüren, es werden Seminare angeboten und Aktionsprogramme gegen den Versuch rechter Einflussnahme auf die Klubs gefördert. All diese überaus ehrenwerte Programme können nur denen helfen, die für sich festgestellt haben: Wir haben ein Problem! Und nur wer das auch benennt, ist glaubwürdig im Kampf gegen rechte Einflussnahme auf den Sport.
Doch da wo Selbstkritik und Zweifel angezeigt wären, beweihräuchert sich der DOSB selbst – als humanistische Organisation, die der Demokratie verpflichtet und sowieso ganz gut ist. Auch eine noch so schön formulierte Präambel ist nur dann etwas wert, wenn sie mit Inhalt gefüllt wird. Zur menschenfreundlichen, antirassistischen und emanzipatorischen Olympischen Charta hat sich auch das Gastgeberland der letzten Spiele bekannt. Kein Humanist wird China deshalb für einen Hort des Guten halten.
Warum sehen wir also keine Sorgenfalten auf der Stirn der deutschen Oberolympier Michael Vesper und Thomas Bach, nachdem ihnen gesagt wurde, mit wem sich Nadja Drygalla abgibt und wie es sein kann, dass ein ehemaliger Nationalruderer zum Nationalsozialisten wird? Im Ruderband Mecklenburg-Vorpommern hat man schon lange von der „Angelegenheit“ gewusst. Man hat das schön für sich behalten – schließlich geht es um Medaillen und Fördergelder aus dem Innenministerium.
Eine unangenehme Frage steht im Raum: Wieviel Nazi darf eigentlich sein im deutschen Sport?
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