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Kommentar Nato und LibyenGegen Gaddafi in den Krieg ziehen?

Kommentar von Eric Chauvistre

Gerade wird wieder einmal so getan, als würde jede Mission der Nato automatisch zum Erfolg führen. Dass daraus oft ein Krieg wird, ist hingegen kein Thema.

O b Kosovo, Irak oder Afghanistan - das vergangene Jahrzehnt muss aus einer Aneinanderreihung großer militärischer Erfolge für die Nato und die USA bestanden haben. Nirgendwo gab es offenbar eine unerwartete Eskalation, überall wurden die Ziele erreicht, alles lief nach Plan.

Zu diesem Schluss muss jedenfalls kommen, wer die aktuelle Debatte über ein militärisches Eingreifen in Libyen verfolgt. Wieder einmal wird, wie schon vor dem Kosovo-, dem Irak- und dem Afghanistankrieg, nahezu ausschließlich in rechtlichen und moralischen Kategorien argumentiert. Das ist zwar unbedingt notwendig, hinreichend ist es aber nicht.

Selbstverständlich sollte ein eindeutiges Mandat des UN-Sicherheitsrats vorliegen, bevor es zu einem militärischen Eingreifen - etwa zur Errichtung einer Flugverbotszone - kommt. Beantwortet werden muss aber auch die Frage, ob die geplante Intervention auch Erfolg verspricht. Denn gerade wird wieder einmal so getan, als würde jede Mission der Nato automatisch zum gewünschten Erfolg führen.

Bild: taz

ERIC CHAUVISTRE ist freier Autor und Sicherheitsexperte.

Vergessen wird, dass im Kosovokrieg aus den geplanten 48-stündigen Luftangriffen ein 78 Tage währendes Dauerbombardement wurde. Vergessen ist offensichtlich auch, dass die Intervention in Afghanistan schon nach einem Monat als großer Erfolg gefeiert wurde - doch der bald zehnjährige Krieg begann danach erst richtig.

Die Einsetzung einer sogenannten Flugverbotszone ist kein Verwaltungsakt. Es geht um die gewaltsame Beherrschung eines Luftraums. Bevor die US Air Force auch nur ein einziges Flugzeug in den libyschen Luftraum schickt, wird sie alle bekannten Radaranlagen und Flugabwehrstellungen am Boden mit Lenkwaffen zerstören. Jedes libysche Kampfflugzeug, das zum Start ansetzt, wird nicht erst in der Luft, sondern möglichst schon auf der Startbahn zerstört. Das bedeutet regelmäßige Bombardements. So etwas nennt man gemeinhin Krieg.

Man mag einen Kriegseintritt der USA oder der Nato für den angemessenen Weg halten, um das Morden in Libyen zu beenden. Wer dies tut, sollte dies dann aber klar sagen - und das Kriegsziel deutlich benennen. Klar muss auch sein, wie lange und zu welchen Kosten man bereit ist, solch einen Kriegseinsatz durchzuhalten. Denn auch Gutkrieger sind vor militärischen Fehlschlägen nicht geschützt. Es wäre, siehe oben, nicht das erste Mal, dass edle Motive ins Desaster führen.

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15 Kommentare

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  • H
    hapewe

    Wetten dass?

    Wenn Gaddafi das Rebellenproblem in einer Woche gelöst haben wird, wird unser deutsches/europäisches Politikerpack nach der Schamfrist von 14 Tagen wieder in seinem Zelt sitzen und mit ihm die nächsten Ölverträge ausbaldowern.

    Öl ist ja auch wichtiger als Menschen.

  • PM
    Peter Maas

    Kosovo, Irak oder Afghanistan ... diese Aufzählung suggeriert, dass diese Interventionen gleich zu bewerten sind. Das ist aber nicht so. Außerdem schlage ich vor, dass all diejenigen, die Interventionen grundsätzlich ablehnen, sich hier mal explizit zu folgenden vier Aussagen bekennen:

     

    Die Fortsetzung der Herrschaft von Milosevic, Karadzic und Mladic wäre besser gewesen als die NATO-Intervention.

     

    Wenn die NATO-Truppen aus Afghanistan abziehen und die Taliban das Machtvakuum füllen, brechen für die AfghanInnen

    bessere Zeiten an.

     

    Es ist besser zuzuschauen, wie Ghaddafi die Revolte niederschlägt, als die Wirkung seiner Kriegsmaschinerie durch Interventionen zu begrenzen.

     

    Großbritannien und Frankreich tragen mit ihrer Kriegserklärung an Deutschland die Schuld daran, dass ein deutsch-polnischer Konflikt zum 2. Weltkrieg eskalierte.

     

    Hinweis für Denkbefreite: ich halte alle vier Aussagen für falsch.

  • OG
    Otto Gupta

    Die schizophrene Haltung einiger Kommentatoren ist wirklich beeindruckend. Gewalt zwischen Staaten wird kategorisch abgelehnt aber Gewalt innerhalb von Staaten wird munter toleriert. Einerseits wird die westliche Unterstützung von Despoten moralisiert und andererseits die Unterstützung einer Freiheitsbewegung einer kühlen legalistischen Betrachtung unterworfen.

     

    Ehrlicher wäre es für Menschenrechte zu sein und nicht bloß gegen Krieg. Ehrlicher wäre es die Moral nicht an der Landesgrenze aufzugeben.

  • E
    EuroTanic

    Kosovo, Irak oder Afghanistan waren alles illegale Angriffskriege die auf Lügen aufgebaut waren. Das weiss heute jeder selbst denkende Mensch. Die Nato mitsamt ihren Psychopathen in den westlichen Regierungen sind derzeit die grösste Gefahr für den Weltfrieden.

  • N
    Ndege

    Aus dem Artikel:

     

    "Die Einsetzung einer sogenannten Flugverbotszone ist kein Verwaltungsakt. Es geht um die gewaltsame Beherrschung eines Luftraums. Bevor die US Air Force auch nur ein einziges Flugzeug in den libyschen Luftraum schickt, wird sie alle bekannten Radaranlagen und Flugabwehrstellungen am Boden mit Lenkwaffen zerstören."

     

    Der Autor übersieht, dass dies keineswegs notwendig ist. DIe NATO braucht garkeine Flugzeuge, um diese Ziele zu erreichen. Es gibt für solche Aufgaben spezielle Flugabwehr-Fregatten, ein Beispiel ist die deutsche Sachsen-Klasse.

  • W
    Westberliner

    Wenn das deutsche Parlament im Namen des deutschen Volkes beschließt, dass auch die Bundeswehr Krieg gegen Libyen führt, dann berücksichtigt bitte, dass ich mich nicht von der Mehrheit des Parlaments vertreten fühle.

     

    Ich bin gegen einen Krieg mit Libyen, Afghanistan und, und, und ...

  • V
    vic

    Mir scheint das Tha gegessen. Ständig höre ich Dikussionen selbst in ernsthaften Sendern, wie z.B. D-Radio, über UN-Mandat und ob "man" evtl. auch ohne dieses "helfen" könnte.

    Und das Volk wird mal wieder für so dumm verkauft wie es ist, mit der vermeintlich harmlosen "Verhängung einer Flugverbotszone"

    ...tja, und wenn "wir" dann schonmal in Nordafrika sind...

  • H
    hann0s

    Die Führer dieser "Krisenstaaten" wurden doch letztlich durch die Auftritte unserer Diplomaten und die Anerkennung ihrer Führer durch "uns" Legitimiert. Wie wärs, wenn wir für Frontex, Opec und all die Rüstungsverträge, unsere stolzen Streitkräfte lediglich zur Verteidigung der von Revolutionären besetzten Städte einsetzen, Eurofighter im Dogfight gegen deren Kampfpiloten einsetzen, mit dem Risiko feindlicher Flakstellungen im Rücken, einfach als Begleichung der Schulden? Deren Völker haben Jahrzehntelang gebuckelt und geopfert, jetz ist unser Zug? Nein?

  • X
    XKING

    Auf in den Frieden und nie wieder Krieg hört sich zwar irgend wie schön aber ziemlich unrealistisch an...

     

    Und nem anderen Kommentar, wann ist den ihrer Meinung nach eine Art Afstand gerechfertigt, erst dann wenn man seine Kinder nicht ernähren kann, oder darf man nicht auch gegen eine nicht selbst gewähltes Regime revoltieren.

     

    Meiner Meinung nach sollte man genau zwischen den Pro und Contra argumenten abwägen und danach dann entscheiden.

    Außerdem würde mich mal eine genauere Analyse der "Stammes"struktur in Liyben interessieren, sowie deren Verwicklungen in die "Revolution?

  • HL
    Hauke Laging

    Es wird immer so getan, auch in diesem Artikel, als wäre die Durchsetzung eines Flugverbots eine große Sache.

     

    Das wäre sie, wenn sie ganz Libyen beträfe. Die Rebellen vor Bombardierung zu schützen, ist dagegen trivial. Um die Rebellen zu bombardieren, muss die Libysche Luftwaffe zwangsläufig den Schutz ihrer eigenen Luftabwehr verlassen.

     

    Keine einzige Bombe müsse fallen, kein Marschflugkörper gestartet werden, wenn man sich darauf beschränkte, alle libyschen Flugzeuge auszuschalten, die sich der Front nähern bzw. diese überqueren. Und darauf werden die es nicht ankommen lassen. Auf diese Weise verhindert man nicht, dass Waffen oder Söldner eingeflogen werden, aber welche Relevanz hat das gemessen am Ende der Bombardierungen?

     

    Ich halte es für wahrscheinlich, dass Gaddafis Machtapparat auseinanderfällt, sobald die NATO die Durchsetzung eines Flugverbots erklärt. Sobald das passiert, läuft die Zeit gegen das Regime. Dann werden einige Leute versuchen, sich rechtzeitig auf die andere Seite zu schlagen. Warum einen aussichtslosen Kampf führen?

     

    Auch Krieg ist Psychologie. Welcher Truppenverband möchte denn mit schweren Waffen Rebellen angreifen, während über ihm NATO-Flugzeuge "die Einhaltung des Flugverbots überwachen"? Von unten sieht alles wie ein Jagdbomber aus. Und wer fragt schon, was wirklich war, wenn die NATO behauptet, die Truppen des Regimes hätten auf ihre Flugzeuge geschossen...?

     

    Der Vergleich mit Kosovo, Irak und Afghanistan ist geradezu peinlich absurd.

  • PS
    Post Scriptum

    Ganz richtig. Aber man könnte durchaus auch etwas weiter zurück in die Geschichte gehen: Spanien 36-39, niemand mischte sich wirklich ein, Franco gewann, die Toten und Hingerafften sind immer noch in Spanien teilweise nicht identifiziert (heute, 2011); Deutschland 39-45, die USA mischten sich ein, glücklicherweise, wäre sonst das dritte Reich besiegt worden?, aber zu spät für die 9 Millionen Tote, für die über 6 Millionen Juden; Japan, gleiche Zeit, die USA mischen sich ein, am Schluss: Atombombe, wie viele Tote?, das Kaiserreich besiegt.

    Krieg ist Krieg, ob man sich einmischt oder nicht, es bleibt Krieg und niemand bleibt gleich (außer vielleicht die, die weggucken). Es gibt die Armeen, da wird auch gestorben, und es gibt die einfache Bevölkerung, die diese oder jene Meinung haben mag, pazifistisch, ungefährlich, neutral, gefährlich, mörderisch, TNT diskriminiert leider niemanden, Menschen werden wegen Absurditäten umgebracht: Religion, politische Anschauung, Geschlecht... Menschen wollen, müssen und sollen sich verteidigen, aber mit bloßen Händen erreicht man nichts gegen Waffen. Kann man es verantworten, dass Waffen gegen Waffen vorgehen, die Menschenleben bedrohen: ja. Muss man deswegen Waffen befürworten: nein. Denn die einzige Funktion einer Waffe ist es, Menschenleben zu bedrohen. Dass nur Waffen gegebenfalls gegen Waffen vorgehen können, macht die Waffen deswegen keinen Deut besser. Aber so viele (wenn nicht alle) Gesellschaften produzieren und finanzieren mit die Produktion von Waffen, man kann pazifistisch sein so viel man will und wegschauen auch so viel man will in einem friedlichen Land, in dem man selbst nicht den Bedrohungen ausgesetzt wird, die Waffen gibt es tatsächlich, sie werden tatsächlich eingesetzt, Menschen werden von Despoten, von Armeen bedroht und dahingerafft tatsächlich. Krieg gibt es. Leider.

    Zum Glück wird es auch vermehrt dokumentiert, es wird nicht weggeschaut, damit niemand sagen kann, das gab es nicht, oder: es war so, wie ich das sage. Damit die Despoten angeklagt werden (Schuld muss in fairen Prozessen bewiesen werden in zivilisierten Gesellschaften) und verurteilt. Diese Arbeit ist sehr wichtig. Aber sie kann eben auch nicht, mit bloßen Händen, gegen Waffen vorgehen und das Töten anhalten. Allerdings können auch die Menschen, die diese Arbeit leisten, von Waffen bedroht werden, daran gehindert werden.

    Es wäre das schönste auf der Welt, wenn sich diese Arbeit einmal erübrigen würde, wenn es keine Verbrechen mehr zu dokumentieren gibt. Wahrscheinlich, fast ganz sicher, müsste es dann auch keine Waffen mehr geben, und vieles andere auch nicht. Utopie. Leider.

  • M
    Manne

    Neben all den Aufregungen um Guttenberg , E10 und anderen Weltuntergängen , mal fix einen kleinen Krieg beginnen.

    Die Hurrarufe erklingen schon allenthalben. Was werden sie rufen wenn unsere Söhne im Sarg mit Flagge und Orden zurückkehren?

    Schluß mit der Kriegsrhetorik. Gewalt gegen Gewalt , ist keine Lösung

    Darum : Auf auf in den FRIEDEN!!!

    rückbesinnnen auf "NIE WIEDER KRIEG"

  • E
    EuroTanic

    Das es den Menschen in Lybiern besser ging als in den Ländern drumherum verschweigt die taz. Lybien hatte eine gute Gesundheitsfürsorge, ein gutes soziales Netz, sogar weniger Arbeitslosigkeit als die Niederlande. Über eine Million Arbeitsplätze für Ausländer. Die Aufstände sind nicht wegen Hunger etc ausgebrochen. Ebenso verschweigt die taz, dass die NATO ohne internationales Mandat um und inzwischen auch in Lybien agiert. Es wird ein Angriffskrieg ohne Legitimation vorbereitet, wieder mal. Und die Medien werden wieder getürkte Berichte von Babys in Brutkästen oder ähnliches erfinden oder ungeprüft weitergeben, ebenso wie beim Irakkrieg. Es sind bereits Friendesverhandlungen angeboten worden, aber davon berichtet die taz & Co ja nichts. Der Michel soll für einen weiteren Angriffskrieg weichgekocht werden. Haben wir aus den Weltkriegen, Vietnam, Irak, Kosovo, Afghanistan nichts dazu gelernt?

  • BG
    Bernd Goldammer

    Konjunktur-Krise-Krieg. Der Kaputalismus greift wieder voll durch. Banken plündern Staaten aus, Bodenschätze werden knapp gemacht! Und ein paar Leute sind auch über. Lieber Gott, ich bitte Dich: Lass Pfaffentochter Merkel, Hand in Hand, mit all den verhaltensgestörten Wirtschaftsbossen und ihren medialen Strippenziehern in Begleitung der ganzen aggressiven CDU-FDP-SPD-Grünen Bundestagsblase voranschreiten, wenn die Kugeln übers Heimatland der Libyer pfeifen. In diesem Falle würde ich begeistert für den Libyen Einsatz stimmen, weil er nie beginnen würde.

  • BS
    Bernhard Sesterheim

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    Zuerst sollte doch einmal der Afghanische Strick zerrissen werden. Auch in Afghanistan wurde aus hehren Gründen von der NATO militärisch interveniert.

    Aber wie weit sind denn die Demokratischen Errungenschaften in Kabul mittlerweile gediehen?

     

    Politiker, die jetzt wiederum auf militärische Einmischung in einem Islamischen Land drängen, müssten eigentlich wegen absoluter Lernresistenz und nicht behandelbarer Dummheit entmündigt werden!