Kommentar Nato-Untersuchungsbericht: Aufklären vor Gericht
Ein Strafprozess wäre wahrscheinlich der beste Weg, eine dem Rechtsstaat angemessene Bewertung der Nacht zum 4. September zu bekommen.
Noch ist er geheim, der Nato-Untersuchungsbericht zu den Bomben auf Tanklaster im nordafghanischen Kundus. Doch alles, was heraussickert, weist darauf hin, dass der deutsche Oberst Klein einen furchtbaren Fehler gemacht hat, als er den Luftangriff anordnete.
Die Vermutung lautet: Um die Rücksprache mit dem Nato-Hauptquartier zu vermeiden, hat Oberst Klein den Bomberpiloten falsche Angaben über Art und Größe der Bedrohung gemacht, die von den beiden Tanklastzügen ausging. Warum er dies für nötig hielt - das bleibt dahingestellt. Möglicherweise wird es Gegenstand eines ordentlichen Gerichtsverfahrens sein.
Und obwohl die Bundeswehr alles tut, um genau das zu vermeiden, wäre ein Strafprozess wahrscheinlich der beste Weg, eine dem Rechtsstaat angemessene Bewertung der Nacht zum 4. September zu bekommen.
Es ist nachvollziehbar, dass die Bundeswehr keinen solchen Prozess erleben will. Mit Sicherheit wird schon die Möglichkeit einer Strafe in der Truppe zu immenser Frustration über einen Einsatz führen, von dem ja die wenigsten wissen, wohin er noch führen soll. Aber jetzt zu unterstellen, es könne ohnehin niemand auf einem deutschen Bürostuhl die Lage vor Ort verstehen und sich darum auch niemand ein Urteil erlauben, hieße, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr endgültig sich selbst, also den Vorgaben der USA zu überlassen.
Es geht nicht darum, einen Soldaten an den Pranger zu stellen, der unter größtem Druck wohl versagt hat, und sich besserwisserisch über ihn zu erheben. Es geht darum zu prüfen, ob überhaupt jemand eine derartige Verantwortung wie im Gefechtsstand von Kundus tragen kann. Und diese Aufklärung braucht die Bundeswehr nicht zu scheuen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!