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Kommentar NRW-SPDAussitzen ist auch keine Lösung

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Keine richtige Regierung ist auch keine Lösung. Ob für die SPD in NRW am Ende etwas auf der Habenseite steht, ist zweifelhaft. Die SPD gewinnt keine Zeit - sie verliert sie.

J etzt wissen wir, was die SPD in Düsseldorf alles nicht will: Sie will nicht mit der Linkspartei regieren - und sie will mit den Grünen keine Minderheitsregierung bilden, die sich ihre Mehrheiten je nachdem suchen müsste. Sie hätte wohl gern mit Grünen und FDP regiert - aber das geht landespolitisch gar nicht zusammen. Mit der CDU will sie aber auch nicht regieren, wohl weil Rüttgers nicht abtreten will und es bei der Bildungspolitik tiefe Gräben gibt. Wir wissen also, was für die SPD warum nicht geht.

Nun lässt Hannelore Kraft Jürgen Rüttgers erst mal geschäftsführend weiterregieren. Dahinter kann man eine besonders raffinierte Taktik vermuten. Vielleicht wird Kraft im Herbst - wenn jeder sieht, dass es so nicht weitergeht - doch noch eine Minderheitsregierung bilden. Oder Rüttgers, König ohne Land, gibt auf und die SPD siegt rauschend bei Neuwahlen. Oder in Berlin bricht Schwarz-Gelb zusammen. Vielleicht werden solche Ideen in der SPD-Parteizentrale ventiliert.

Aber: Das sind eher Seifenblasen. Rüttgers im Amt zu lassen ist kein machtpolitischer Coup. Dahinter steht das Eingeständnis, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen nicht mehr weiterweiß. Irgendwie hat sie - nicht wirklich, aber gefühlt - die Wahl gewonnen. Doch sie ist unfähig, aus dem Absturz von Schwarz-Gelb eine solide neue Machtoption zu schmieden. Deshalb tut sie erst mal einfach gar nichts.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Keine richtige Regierung ist aber auch keine Lösung. Und: Dieser Aufschub hat einen Preis. Schwarz-Gelb behält mindestens bis zum Herbst die Mehrheit im Bundesrat. Die Chancen, Sparpaket und Akw-Laufzeitverlängerung zu stoppen, sinken damit. Das steht auf der Verlustseite. Ob für die SPD in NRW am Ende etwas auf der Habenseite steht, ist zweifelhaft. Die SPD gewinnt keine Zeit - sie verliert sie.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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8 Kommentare

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  • B
    bernd

    Genau! Mit Ihren Gefühlen ist die SPD immer noch nicht in der Wirklichkeit angekommen. Nach den Hartz-Beschlüssen gibt es keine Mehrheit mehr für Rot/Grün in Deutschland. Alternativ will die SPD am liebsten mit der Union ins Koalitions-Bett. Aber sie will unbedingt oben liegen. Bei dieser Bett-Gymnastik verlieren beide - die Frage ist nur, wer mehr und schneller Stimmen verliert. Der schmerzliche Prozess, bis SPD und Union zusammen unter 50% Wählerstimmen angelangt sind, bleibt Deutschland nicht erspart. Erst danach sind zukunftsfähige Lösungen möglich. Hoffentlich ist bis dahin nicht zuviel Zeit vergangen. Die Ressourcen für eine nachhaltige Überführung der überholten Deutschland Industrie-AG ins digitale Zeitalter schwinden.

  • K
    Katev

    "Schwarz-Gelb behält mindestens bis zum Herbst die Mehrheit im Bundesrat. Die Chancen, Sparpaket und Akw-Laufzeitverlängerung zu stoppen, sinken damit."

     

    Dies ist vor allem aus einem Grund nicht möglich: Weil Rot-Grün nicht mit der Linkspartei kann. Die Bürger in NRW erwarten mehrheitlich eine halblinke Regierung, aber SPD und Grüne lassen zu, dass ihre eigenen Programmpunkte nicht realisiert werden, (wenn sie es denn wirklich wollten!), weil ihnen das Personal der Linken nicht schmeckt. Wie will die SPD glaubwürdig (linke) Opposition sein, wenn sie immer noch viel mehr Energie darauf verwendet, die Linke abzuwehren als die FDP? Die SPD hat uns nicht nur Agenda 2010 eingebrockt, wir werden uns bei den Sozialdemokraten auch noch für das Sparpaket bedanken dürfen. Bei dem Personal der SPD frage ich mich immer wieder, ob das nicht auch beabsichtigt ist.

  • HP
    H. P. Petersen

    Naja, die Sozis zeigen, was sie in Hessen gelernt haben: Nix! Auch Koch wurde von den Hessen eindeutig abgewählt, erst nachdem Ypsifanti ein Jahr planlos auf der Stelle trampelte, haben sie Koch als kleineres Übel doch noch mal akzeptiert. (Das Koch die Ergebnisse richtig interpretiert hat, zeigt sein rechtzeitiger Rücktritt.)

    In NRW wird’s genau so kommen. Nach einem Jahr Kraftlosem Rumgetrampel kommen Neuwahlen und die NRWler werden sich dran erinnern, dass Jürgen el Rüttgers und sein Armin bin Laschet ja auch ganz gut Multikulti können.

  • R
    REK

    ganz so kann man das ja nun auch nicht stehenlassen, zum einen ist die SPD die einzige Fraktion, die überhaupt etwas tut, sie prüft nämlich ihre Möglichkeiten und zum anderen tun die, die eigentlich an der Macht sind gar nichts. Was tut denn Rüttgers, damit seine CDU regieren kann, immerhin hat er die meisten Stimmen hinter sich vereinen können?! Es ist an ihm, eine Regierung zu bilden und nicht an der SPD.

  • G
    Graureiher

    "Die Chancen, Sparpaket und Akw-Laufzeitverlängerung zu stoppen, sinken damit..."

    Ganz im Sinne der SPD-Kreise, für die Frau Kraft steht!

  • W
    Waage

    Ich schlage als aller erstes mal vor, dass Herr Rüttgers zurücktritt, da er ja schließlich die Mehrheit für schwarz/gelb versemmelt hat.

    Außerdem aus staatspolitischer Verantwortung, damit es mit der Regierungsbildung wieder vorwärts gehen kann.

    .

    Zweitens sollte dann die SPD bei ihren Genossen/Genossinnen zügig eine Mitgliederbefragung durchführen ob für sie

    1. eine große Koalition nun eher vorstellbar ist,

    2. oder ob ihnen doch rot/grün/dunkerotes Kamikaze lieber wäre.

    .

    Ist die Mehrheit für 2. - dann muss es wohl so sein.

    Ist die Mehrheit für 1. (einfache Mehrheit genügt) fänd ich das prima und die SPD führt so schnell wie möglich knackige Koalitionsverhandlungen mit der CDU.

    .

    Wegen des Ministimmenvorsprungs kommt die SPD aber dann nicht umhin,eine/n akzeptable/n Konsens-kandidatin/en aus der CDU zur/zum Ministerpräsidentin/en zu wählen.

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    Vorteil einer großen Koalition wäre, dass innerhalb der CDU (auch der Bundes - CDU!) die atomkritische Minderheit und der Arbeitnehmerflügel Auftrieb bekämen.

    .

    Für die Reformen im Bildungsystem (Hauptschulmisere!)ist wegen der Nachhaltigkeit eh ein breiter Konsens der Volksparteien nötig damit beim nächsten Regierungswechsel (Achtung Demokratie!) nicht alles wieder rückgängig gemacht wird!

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    Ich finde übrigens die Vorgehensweise von Frau Kraft bisher gar nicht schlecht. Ich hoffe nur, sie pokert nicht zu hoch!

  • S
    Sabine

    Wieder einmal ein ausgezeichneter, sehr passender Kommentar von Stefan Reinecke!

  • Y
    york

    ich verstehe nicht, warum die spd es nicht mit der rot-gruenen minderheitsregierung versucht. die gruenen sind dafuer, die bundesrats-mehrheit fuer schwarz-gelb waere dahin. wenn sie dann tatsaechlich fuer wichtige projekte keine mehrheit bekommt, kann frau kraft den schwarzen peter genuesslich den jeweils sich zierenden oppositionsparteien zuschieben und in aller ruhe neuwahlen ausschreiben, was dann jeder (waehler) nachvollziehen koennte.

     

    es ist einfach unprofessionell, die beleidigte leberwurst zu spielen.