Kommentar NPD-Verbot: Feigheit vor dem Staatsfeind
Eine legale Partei von der Parteienfinanzierung auszuschließen, ist unmöglich. Dass der Staat die Nährmutter der Nazis spielt, ist jedoch nicht vermittelbar.
A lle gesellschaftlich relevanten Gruppen, von den Kirchen über die Gewerkschaften bis zu den Parteien, sind sich darin einig, wie wünschenswert es wäre, könnte man die Nazi-Propaganda in Deutschland eindämmen. Aber geht es um konkrete Maßnahmen gegen Rechtsradikalismus, beginnt der Boden erheblich zu schwanken.
Zum Streitpunkt entwickelt sich insbesondere die Frage eines Verbots der NPD. Der rot-grün dominierte Bundesrat hat beschlossen, einen entsprechenden Verbotsantrag voranzutreiben. Die Bundesregierung wird jedoch keinen eigenen Antrag auf Verbot stellen. Denn die FDP stellt sich quer.
„Dummheit kann man nicht verbieten“, lautet die griffige Begründung von FDP-Chef Philipp Rösler dazu. Da ist etwas dran. Selbstverständlich würde ein Verbot nicht dazu führen, dass dämliche Dumpfdeutsche ihre Parolen nicht länger herausbrüllen. Natürlich ändert ein Gerichtsbeschluss nichts in den Köpfen.
ist Ko-Leiter des Ressorts taz.eins.
Zudem ist das Verfahren, auch da hat die FDP recht, mit Unwägbarkeiten verbunden. Es ist denkbar, dass Karlsruhe urteilt, dass die NPD legal bleiben muss, weil sie keine ernsthafte Gefahr für die Demokratie darstellt. Und auch wenn das Gericht die NPD verbietet – es ist nicht auszuschließen, dass die europäische Justiz dieses Urteil wieder aufhebt.
Wir bezahlen die Propaganda
Ja, das Verfahren, vor dem die Bundesregierung den Schwanz einkneift, ist ein Risiko. Aber, nein, das spricht nicht dafür, ein Verbot der Rechtsradikalen deshalb gar nicht erst in die Wege zu leiten. Der wesentliche Grund dafür liegt gar nicht einmal in der ekelhaften Propaganda dieser Partei, sondern darin, dass wir, die Bürger, diese Propaganda auch noch bezahlen.
Spätestens nach der nächsten Landtagswahl in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern wird der Jammer wieder groß sein, dass die Neonazis von der staatlichen Parteienfinanzierung profitieren. Spätestens dann wird ein Innenminister wieder nach Maßnahmen rufen, weil dies nicht sein dürfe.
Und die anderen Minister und Staatssekretäre werden nicken, aber weise (und zu Recht) bemerken, dass es rechtsstaatlich leider unmöglich ist, eine legale Partei von der Parteienfinanzierung auszuschließen. Dass der Staat die Nährmutter der Nazis spielt, ist nicht vermittelbar. Es ist ein Skandal. Allein deswegen liegen FDP und Regierung falsch. Und schon deswegen ist ein Verbotsverfahren richtig – trotz aller damit verbundenen Risiken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste