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Kommentar NGOs gegen NiebelHöchste Zeit, Abstand zu nehmen

Kommentar von Gordon Repinski

Die Aufgaben von Bundeswehr und NGOs sind grundverschieden - auch in Afghanistan. Deshalb darf eine finanzielle Unterstützung nicht an eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr geknüpft werden.

E s ist ein seltenes Bild in der Entwicklungspolitik. Nichtregierungsorganisationen lehnen sich gegen den Bundesminister auf, brechen mit der üblichen, diplomatischen Haltung, sprechen offen sogar von Erpressung seitens Dirk Niebel - weil dieser finanzielle Unterstützung an eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr knüpft. Doch auch wenn Protest in diesen Kreisen ungewohnt ist - jetzt müssen die NGOs so handeln.

Denn die Aufgabenstellungen von Bundeswehr und Nichtregierungsorganisationen sind grundverschieden - besonders in Afghanistan. Während sich die Bundeswehr im Kampfeinsatz befindet, sind die NGO-Projekte humanitär geprägt. Wer Parallelen sucht, um eine Zusammenarbeit zu rechtfertigen, hängt dem verklärten Bild des "Entwicklungshelfers in Uniform" nach - der naiven Idealvorstellung vom Soldaten zu Anfang des Afghanistan-Einsatzes. Und angesichts des zunehmend blutiger werdenden Einsatzes driften die Aufgabenprofile zwischen Bundeswehr und NGOs ohnehin immer weiter auseinander.

NGOs müssen gerade in einer solchen Situation politisch unabhängig agieren können. Andernfalls reduzieren sich darauf, gutmenschelnder Handlanger verteidigungspolitischer Regierungsinteressen zu werden.

Die Klarheit, mit der verschiedene Organisationen sich nun zu Wort melden, zeigt, dass ihnen dieses Risiko bewusst ist. Der Aufstand gegen die Vorgaben des Entwicklungshilfeministeriums ist nämlich nicht nur ein Akt der Emanzipation. Er ist Ausdruck blanker Existenzangst. Denn eine Nähe zum Militär kostet den Rückhalt in der Bevölkerung und heißt, dass die NGOS faktisch unbedeutend werden. Das kann auch Dirk Niebels Interesse nicht sein. Zumindest, wenn er sich als Entwicklungsminister versteht.

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1 Kommentar

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  • T
    Tomate

    "Das kann auch Dirk Niebels Interesse nicht sein. Zumindest, wenn er sich als Entwicklungsminister versteht." -- Aber da haben wir doch schon die Crux: war Niebel denn nicht schon vor seiner Ministerzeit gegen das Prinzip Entwicklungshilfe?

     

    In der Politik kann man ein allgemein anerkanntes System nicht einfach so abschaffen - man muss vielmehr damit beginnen, es zu erodieren, es von innen auszuhöhlen. Solange, bis es sinnlos geworden ist und von selbst zusammenbricht.

     

    Handelt die FDP momentan denn nicht auch bei der solidarischen Krankenversicherung auf dieselbe Weise?

     

    Ein wenig problematisch freilich ist, dass Herr Niebel bei seinem gewitzten Manöver Männer und Frauen, die sich für Frieden und Menschlichkeit einsetzen, ins Fadenkreuz erzürnter militanter Gruppen bringt. Aber dieser Gedanke sicher etwas, das ein FDP-Politiker mit einem bloßen Schulterzucken verarbeiten kann ... Man drückt den Abzug ja nicht selbst ab; und wurde denn jemand gezwungen, in eines dieser Länder zu gehen? Wer sich freiwillig in Gefahr begibt ...