Kommentar Müllverbrennung statt -vermeidung: Mehr Profit statt weniger Müll
Die EU setzt auf Müllverbrennung. Diese Entscheidung ist fatal. Denn sind die Müllöfen erst einmal gebaut, wird das Interesse an der Müllvermeidung nachlassen.
M üll ist ein Geschäft. Die EU hat sich entschieden, es weiter anzuheizen, indem sie statt auf Recycling verstärkt auf die Müllverbrennung setzt. Das ist fatal.
Sicher, gute Müllverbrennungsanlagen sind besser als die alten Mülldeponien. Denn biologische Abfälle, die auf solchen Deponien verrotten, verbreiten gesundheitsschädliche Keime und produzieren den Klimakiller Methan. Die neuen Anlagen verfeuern dagegen den Dreck nicht nur, sie gewinnen sogar Energie daraus. Zwar bewegt sich der Heizwert eher im unteren Bereich, aber für nicht recyclingfähige Reststoffe ist das besser als nichts. Und solange es solche Reststoffe gibt, können effiziente Müllheizkraftwerke eine Kreislaufwirtschaft sinnvoll ergänzen.
Mehr aber auch nicht. Denn so toll ist die Abfallverbrennung nicht. Kleine Kraftwerke für regionalen Müll etwa lohnen sich nicht. Nur große Anlagen, in denen auch der Müll aus weit entfernten Gegenden verbrannt wird, machen richtig Gewinn. Mülltransporte dorthin aber kosten Sprit, und sie belasten das Klima. Außerdem brauchen Müllverbrennungsanlagen natürlich Müll. Und je mehr Anlagen es gibt, desto mehr Müll brauchen sie. Umweltpolitisch gesehen, ist das die falsche Weichenstellung.
Richtiger wäre es gewesen, beim Thema Müll wirtschaftliche, ökologische und klimapolitische Ziele zusammen zu denken. Dabei geht es nur am Rande um die möglichst risikolose Beseitigung von Unrat. Schließlich besteht der meiste Abfall aus wertvollen Reststoffen, die direkt wiederverwendet oder aufbereitet und in den Kreislauf zurückgeschleust werden können. Das schont nicht nur Ressourcen und spart Energie, es schafft auch Arbeit, in den Sammel- und Sortiersystemen und beim Recycling - bis zu zehnmal mehr als die Verbrennung von Müll!
Das Ziel müsste also lauten: Lasst uns so wenig Müll wie möglich produzieren und grenzübergreifende Mehrwegsysteme aufbauen! Lasst uns Verpackungen minimieren und Geräte so produzieren, dass die Einzelteile wiederverwendet werden können! Stattdessen macht die EU das genaue Gegenteil, wenn sie die Abfallverbrennung zur "thermischen Verwertung" adelt und den Mülltourismus fördert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!