Kommentar Moscheenbau: Rücksichtnahme ist angesagt
Die Parteien in Frankfurt unterstützen zu Recht den Moscheenbau: Das Grundgesetzt garantiert die Freiheit der Religionsausübung.
D as Grundgesetz garantiert die Freiheit der Religionsausübung. Deshalb hat jede Religionsgemeinschaft in Deutschland das Recht, ihrem Gott einen Tempel zu errichten. Und wenn sich diese Religionsgemeinschaft - wie die schiitische in Frankfurt - auch zu allen anderen Freiheitsgarantien im Grundgesetz bekennt, verdient sie Unterstützung bei einem entsprechenden Bauvorhaben. SPD, Grüne, CDU und FDP haben sich deshalb trotz vieler Anfeindungen von rechtsaußen und massiver Kritik der betroffenen Bürger zu Recht hinter den Moscheenverein gestellt.
Zusätzlich kündigte Oberbürgermeisterin Petra Roth die Etablierung eines Diskussionsforums zum Thema an. Gegner und Befürworter des Moscheenbaus sollen sich im ständigen Dialog aneinander abarbeiten. Eine friedenspädagogische Maßnahme zum Abbau massiv vorhandener Vorurteile und Ängste auf beiden Seiten - vor allem aber aufseiten der durchaus ethnisch gemischten, interreligiösen Wohnbevölkerung im Viertel. Denn klar ist auch: Selbst die liberalsten Befürworter des Moscheenbaus würden nicht unbedingt freiwillig ein Haus neben einer Moschee beziehen wollen, wenn dort vor und nach den Gottesdiensten immer ein paar hundert Gläubige vor dem Gebetshaus schon einmal laut den Koran auslegen oder ihre Familienprobleme erörtern. Oder wenn der Muezzin über Lautsprecher Allah anruft. Religionsspezifisch ist das nicht gemeint. Einen atheistischen sozialdemokratischen Literaturprofessor aus Südhessen, der neben einer katholischen Kirche wohnt, stört das Glockengebimmel genauso.
Rücksichtnahme ist also angesagt. Eine zivile Gesellschaft funktioniert nur auf dieser Grundlage, die auch den Hasspredigern auf beiden Seiten den Wind aus den Segeln nimmt. Natürlich: Noch schöner wäre das Leben, wenn die Religionen ganz aus ihm verschwinden würden. Dann gäbe es, um es in Annäherung an ein Zitat von John Lennon zu sagen, einen gewichtigen Grund weniger, zu hassen und zu missionieren oder gar zu töten und sich selbst in die Luft zu sprengen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!