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Kommentar Missbrauch im Kloster EttalChristliche Parallelgesellschaft

Kommentar von Benno Plassmann

Der Missbrauch im Internat Ettal kann nicht mehr nur auf "Einzeltäter" geschoben werden. Und die beharrliche Arbeit einiger Altschüler muss weitergehen.

ffnen sich die Tore? Der Bericht des ehemaligen Verfassungsrichters Hans-Joachim Jentsch mag zusammen mit der zugesicherten Studie zum "System Ettal" der Anfang vom Ende eines Bollwerks christlicher Parallelgesellschaft sein.

Denn trotz skandalöser Weißwaschungen, seit vor einem Jahr der jahrzehntelange systematische Missbrauch im Internat Ettal publik wurde, ist heute eine klassische Verteidigungsdynamik durchbrochen: Die Verantwortlichen der Organisation können nicht mehr alles auf "Einzeltäter" schieben, die Täter können sich nicht mehr mit Verweis auf "die Situation" herausreden.

Der Beginn einer Öffnung in Ettal ist in erster Linie der beharrlichen Arbeit einiger weniger AltschülerInnen des Ettaler Opfervereins zu verdanken. Im vergangenen Jahr haben sie auf vielen Ebenen kämpfen müssen: gegen Selbstgerechtigkeit vom Schlage eines Bischofs Mixa; gegen die Komplizenschaft damaliger Eltern, die sich Mitschuld am Leiden ihrer Kinder nicht eingestehen wollen, oder heutiger Eltern, die sich um die Investitionen in die "gute Bildung" ihres Nachwuchses sorgen; gegen die Faulheit der Mehrheit der AltschülerInnen, die sich angewidert abgewandt oder in positiven Aspekten ihrer Jugenderinnerungen eingerichtet haben.

DER AUTOR

BENNO PLASSMANN ist Theatermacher und ehemaliger Ettal-Schüler.

Die beharrliche Arbeit der Ettaler und anderen Opfer systematischer Misshandlung verdient Unterstützung. Denn verbrecherische Parallelgesellschaften darf es in einem Rechtsstaat nicht geben.

Und die Arbeit geht weiter, denn die Deutsche Bischofskonferenz - im wohligem Einklang mit der Bundesregierung - steuert darauf hin, die lächerlichen und rein materiellen Entschädigungsangebote für Leiden der Heimkinder nun auch hier anzuwenden.

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7 Kommentare

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  • TR
    Thomas Roth

    @Swanni

    "Quis sentit, assentire videtur" - "Wer schweigt, scheint zuzustimmen." Der Mißbrauch war vielleiucht nicht systematisch, abr das Vertuschen durch die Mitbrüder und die Oberen. Nicht de iure, aber de facto hatte die Kirche eine Art Eigengerichtsbarkeit - so wurden erst vor wenigen Jahren in Ettal unhaltbare Priester in die Filiale Wechselburg/Sachsen versetzt. An konsequenter Aufdeckung und Ahndung war jedenfalls im Kloster Ettal, in den Klöstern allgemein, niemand interessiert. Das ist nur Klaus Mertes SJ (Canisius-Kolleg, Berlin) und den Initiativen der verschiedenen Geschädigten und ihrer Zusammenschlüsse zu verdanken.

  • BP
    Benno Plassmann

    @ Swanni:

    Der Missbrauch in Ettal war systematisch in der Hinsicht, dass gelebte Sexualitaet mit Abhaengigen zwar nicht systematisch propagiert wurde (s. linkes / reformpaedagogisches Mileu), aber er wurde systematisch verdeckt und verdraengt, analog zur allgemeinen Koerper-Verdraengung in katholisch-christlichen Mileus.

    @ ProDiskussion:

    Ja, ganz genau, verbrecherische christliche Parallelgesellschaft - als etwas anderes kann ich jene Situation nicht beschreiben. Mit ungestrafter Regelmaessigkeit wurden gesetzesbrecherische und kriminelle Handlungen vollzogen; und deren Taeter (sowohl die missbrauchenden, als auch die strafvereitelnden) fanden Wege in ihrem parallelen Regelsystem ein Unrechtsbewusstsein zu unterdruecken. Und das ueber Jahrzehnte hinweg obwohl sich der Rechtsstaat sehr wohl in Ettal gemeldet hatte, in den 50er Jahren naemlich hatte ein Ettaler Moench wegen sexuellen Kindesmissbrauchs sogar im Gefaengnis gesessen.

     

    MfG, B. Plassmann

  • P
    PerditaDolorosa

    @Swanni: Die Täter wurden von der "christlichen" Obrigkeit inkl. Bischof & Vatikan gedeckt und unterstützt. Wurde ein Geistlicher in einer Gemeinde auffällig, hat er mit Hilfe dieses Systems eine neue Stelle woanders gefunden. Pfarrer, die Kinder missbrauchen gibt es weltweit und weltweit wurden und werden sie von Vorgesetzten gedeckt. So ähnlich wie eine internationale Päderastenmafia. Die sollten eigentlich auch wegen organisiertem Verbrechen rangenommen werden!!!

  • W
    Wolfgang

    Wegen der kleinsten Kleinigkeit hat der "Gott da oben"

    Menschen aus dem Paradies geschmissen.

    Wo war er z.B. in Ettal??

  • WB
    Wolfgang Banse

    Es ist nicht alles christlich,was sich christlich nennt

    Die aufgedeckten Missbrauchfälle in den beiden christlichen Kirchen zeigen auf,dass nach außen getan wird,wie christlich,wie Menschenfreundlich es in den Kirchen zugeht-aber nach innen geschaut,das christliche nicht vorgelebt wird. Das renomierte Kloster Ettal wo anbertrtaute Schützlinge gedemütigt ,misshandelt wurden ist das beste Beispiel dafür,dass Gottes Wort missachtet wurde und man sich selber Gebote wie der Demütigung ,der Misshandlung gegeben hat und diese auch praktiziert hat.

    Pure Heuchelei was die gefeierten Gottesdienste und Andachten betrifft,vor sich selbst,der versammeölten gottesdienstlichen Gemeinde und vor Gott.

    Nein nicht alles kann sich auf Gott berufen,denn Gott ist ein Liebender,ein lebensbejahender Gott-der sich gegen Gewalt in jedlicher Form ausspricht.

  • S
    Swanni

    "Denn trotz skandalöser Weißwaschungen, seit vor einem Jahr der jahrzehntelange systematische Missbrauch im Internat Ettal publik wurde"

     

    Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass der Missbrauch dort systematisch war.

    Denn es gab in katholischen Kreisen nie eine allgemeine Billigung und ideologische Rechtfertigung des Missbrauches, wie es wohl in der Odenwaldschule im Besonderen und in linken Milieus im Allgemeinen ( die taz hatte kürzlich selbstkritisch berichtet) der Fall war.

  • P
    ProDiskussion

    "Christliche Parallelgesellschaft" - Herr Plassmann?? Nun machen Sie aber mal einen Punkt bzw. lassen Sie mal die Kirche schön im Dorf!