Kommentar Mindestlohn: Negative Dynamik
Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns ist gescheitert. Damit wird Deutschland weiterhin ein Außenseiter in der Europäischen Union bleiben.
D ie Union hat sich durchgesetzt, nur wenige zusätzliche Beschäftigte werden Mindestlöhne bekommen. Das ist schon klar, bevor am kommenden Montag die offizielle Frist für diejenigen Branchen abläuft, die den Mindestlohn beantragen wollen. Die Vereinbarung der großen Koalition, Mindestlöhne branchenspezifisch einzuführen und nicht allgemein, funktioniert nicht. Union und SPD blockieren sich gegenseitig.
HANNES KOCH, 46, ist Parlamentskorrespondent der taz. Seine Schwerpunkte sind Wirtschaft und Umwelt. Unlängst erschien sein Buch "Soziale Kapitalisten - Vorbilder für eine gerechte Wirtschaft".
Der Weg, den die beiden Regierungsparteien im vergangenen Sommer beschlossen haben, führt nämlich kaum zur Einführung einer Lohnuntergrenze in einer nennenswerten Anzahl von Branchen. Herausbilden wird sich allenfalls ein Flickenteppich. Damit wird Deutschland weiterhin eine Außenseiterrolle in der Europäischen Union spielen. Immerhin 20 von 27 EU-Staaten haben bislang Mindestlöhne eingeführt.
Einen flächendeckenden Mindestlohn für sämtliche Beschäftigte einzuführen, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel schon im Sommer 2007 abgelehnt und sich mit der SPD nur zu einer bruchstückhaften Lösung durchgerungen. Der Erfolg blieb aus. Warum sollte es auch anders sein? Viele Arbeitgeberverbände fühlen sich von der Union in ihrer Ablehnung des Mindestlohns unterstützt. Sie sehen überhaupt keinen Anlass, mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund über Lohnuntergrenzen zu verhandeln.
Diese negative Dynamik wird nun eher zum Problem der SPD als der Union. Die Sozialdemokraten haben die Hoffnung, CDU/CSU im Hinblick auf die Bundestagswahlen 2009 vor sich her treiben und sich selbst wieder mehr als Partei der sozialen Gerechtigkeit profilieren zu können. Indem sich allerdings der von der großen Koalition gemeinsam eingeschlagene Weg als Sackgasse herausstellt, verliert diese sozialdemokratische Offensive ihren Schwung. Bei den Wählern könnte ankommen: Die SPD hat auf das falsche Pferd gesetzt. Das allerdings wäre ein Eindruck, den die von schlechten Wahlergebnissen, abnehmender Wählergunst und internem Zwist gebeutelte Partei nur schwer verkraften könnte.
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