Kommentar Milliardenloch im Berliner Haushalt: Das dicke Ende kommt noch
Kurzfristig mag die neue Gelassenheit von Thilo Sarratin die Bürger freuen - weil etwa Mehrausgaben für Kitas unangetastet bleiben. Langfristig aber ist klar: Das dicke Ende kommt noch.
Eine. Milliarde. Euro. Zwar geistern in Zeiten von Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise noch ganz andere Summen durch die Welt. Dennoch ist die Milliarde, um die der eh schon beträchtliche Schuldenberg Berlins allein 2009 wächst, kein Pappenstiel. Im überaus großen Lottojackpot, der heute wieder Hinz und Kunz in die Annahmestellen treibt, sind gerade mal 28 Millionen Euro. Erst wer den 35-mal gewinnt, kann das diesjährige Haushaltsloch stopfen. Angesichts solcher Zahlen stellt sich die Frage: Warum treiben sie Finanzsenator Thilo Sarrazin nicht in die Krise?
Theorie 1: Eskapismus. Sarrazin ist die neue Schuldenkrise herzlich egal, weil er sie nicht mehr bewältigen muss. Schließlich hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er im Laufe des Jahres zur Bundesbank wechselt. Das aber klingt allzu menschlich - und passt nicht zu Sarrazin.
Theorie 2: Keynesianismus. Sarrazin wurde stets missverstanden. Es geht ihm nicht ums Sparen an sich. Er setzt viel mehr auf kluge Fiskalpolitik, die Krisen- wie Boomzeiten abfedert und langfristig den Haushalt im Gleichgewicht hält. Das klingt zumindest hoffnungsvoll.
Doch leider gibt es auch noch Theorie 3: völlige Ratlosigkeit. Die Krise trifft Berlin so hart, dass selbst der Sparfuchs Sarrazin ihr nichts mehr entgegenzusetzen hat. Kurzfristig mag das freuen, weil etwa Mehrausgaben für Kitas unangetastet bleiben. Langfristig aber ist klar: Das dicke Ende kommt noch. Sobald ein Finanzsenator Sparen wieder für möglich hält, muss er zuschlagen, um die aufgetürmten Schulden wieder abzutragen. Je nach Wirtschaftslage in drei, fünf oder sieben Jahren. Dann gehen die Spardebatten und Verteilungskämpfe von vorne los. Kein schöner Ausblick.
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