piwik no script img

Kommentar MilchbauernZu klein für den Weltmarkt

Kommentar von Svenja Bergt

Die Marktwirtschaft wird nicht zu fairen Preisen führen - Seehofers Landwirtschaftspolitik fehlt es an Konzept und Transparenz. Er muss sich entscheiden, wohin er will.

Landwirtschaftsminister Seehofer macht derzeit einen hilflosen Eindruck: Er wettert gegen den Einzelhandel und seine Preispolitik, doch den Verbrauchern will er Zugang zu billigen Lebensmitteln sichern. Mal ist er für die Milchquote, mal dagegen. Seiner Landwirtschaftspolitik fehlt es an Konzept und Transparenz, das wird im derzeitigen Streit um den Milchpreis ganz deutlich.

Denn wer über den Milchpreis redet, redet auch über die Struktur der Landwirtschaft - über das soziale Leben auf den Dörfern, über Tierhaltung und Landschaftsräume. Wer dafür eintritt, dass der Markt den Milchpreis regeln muss, spricht sich gleichzeitig für die Massenproduktion von Milch aus - und gegen die kleinen Betriebe einer bäuerlichen Landwirtschaft. Die Rechnung ist einfach: Die großen Milchbetriebe können billiger und mehr Milch produzieren und damit bei den Weltmarktpreisen mithalten. Milchbauern mit kleineren Betrieben könnten hier in Masse und Preis nicht mithalten.

Das weitere Sterben kleiner Höfe aber würde die Landschaft und die soziale Struktur gerade in den ländlichen Gebieten im Süden Deutschlands massiv verändern. Da ist zum einen die Haltung der Tiere: Bauern, die ihre Tiere auf die Weide schicken oder selbst das Heu für die Fütterung anbauen, werden umso seltener, je größer der Betrieb ist. Dazu kommen die sozialen Folgen der Veränderungen auf dem Markt: Das Aus für kleine Milcherzeuger würde gleichzeitig auch das Aus für viele Arbeitsplätze in ländlichen Regionen bedeuten. Schließlich benötigen tausend Kühe auf drei Höfe verteilt mehr Personal als ein einziger Betrieb.

Seehofer muss sich also entscheiden, wo er mit seiner Politik hinwill. Hin zu einem freien Markt mit wenigen Großerzeugern? Oder zu einem regulierten Markt, auf dem kleine neben großen Höfen bestehen können. Der Ort, um dies politisch durchzusetzen, ist allerdings nicht ein Fototermin in Berlin, sondern konsequente Politik in Brüssel. Dort könnte er sich für den Erhalt der Milchquoten oder Subventionen einsetzen, die naturnahes und arbeitskraftintensives Wirtschaften belohnen. So hilflos, wie der Minister Seehofer scheint, ist er nämlich eigentlich gar nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!