Kommentar Merkel & Dalai Lama: Notwendige Provokation
Bislang ging noch jede deutsche Regierung vor Peking in die Knie. Bis auf die jetzige. Trotz aller Kritik: Angela Merkels Treffen mit dem Damali Lama war richtig.
Warum sind die Chinesen so verschnupft über Merkels Mut, den Dalai Lama - "Papst des Ostens" - im Kanzleramt zu treffen? Warum sagen sie jetzt ein deutsch-chinesisches Treffen nach dem anderen ab? Über Jahrzehnte konnten sich Chinas Machthaber darauf verlassen, dass den Herren Kohl und Schröder das große Geschäft wichtiger war als Moral und Menschenrechte. Deshalb können sie es bis heute immer noch nicht fassen, dass es auch eine Regierungschefin mit Prinzipien gibt, die einiges anders macht als die Männer vor ihr.
Bislang ging noch jede deutsche Regierung vor Peking in die Knie: Gerhard Schröder wollte sogar Waffen liefern, als China Taiwan mit einem Krieg bedrohte. Hat Angela Merkel die wirtschaftsversessenen, aber menschenrechtsvergessenen Chinesen gereizt? Ja, sicher! Vielleicht verkaufen wir künftig einige Autos und Flugzeuge weniger in China. Aber in der jungen Generation Chinas hat Angela Merkel gepunktet und an Ansehen gewonnen. Endlich hat jemand Flagge gezeigt und die Menschrechte für wichtiger erachtet als das Geschäft mit ihren Unterdrückern.
Die Bundeskanzlerin wird angegriffen, weil sie in China nicht Kasernen besucht wie Helmut Kohl oder Schuhfabriken wie Gerhard Schröder - sondern Menschen, die für ihre Überzeugung im Gefängnis waren. Doch diese Bürgerrechtler werden Chinas Zukunft eher bestimmen als die alten Betonköpfe, die außer ihrer Macht gar nichts kennen.
Chinas Machthaber sind "erstaunt", dass noch jemand wagt, ihnen zu widersprechen. Dabei wollen sie doch 2008 bei der Olympiade in Peking der ganzen Welt ihre Friedfertigkeit demonstrieren und 2010 durch die Expo in Schanghai sie nochmals beweisen.
1980 haben einige westliche Länder wegen des sowjetischen Überfalls auf Afghanistan die Olympiade in Moskau boykottiert. Es ist wichtig, dass demokratische Länder gerade 2008 weitere Zeichen der Solidarität mit Tibet und anderen unterdrückten Minderheiten in China setzen. Es muss ja nicht gleich ein Boykott wie 1980 sein. Aber Grund zum Kuschen vor kommunistischen Königsthronen besteht auch nicht. FRANZ ALT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pressekonferenz in Mar-a-Lago
Trump träumt vom „Golf von Amerika“
Ende der Faktenchecks bei Meta-Diensten
Nicht abhauen!
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Forderungen von Donald Trump
5 Prozent Verteidigungsausgaben, 100 Prozent Ablehnung
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion
Hörsaalbesetzung in Hellersdorf
„Free Palestine“ mit dem Segen von oben