Kommentar Mays Rücktrittsangebot: Plot ohne Popcorn
Der Wunsch nach einem Ende des Brexit-Streits wächst – egal wie. Doch so einfach ist es nicht. Es geht dabei um die Rechte von Millionen Menschen.
I rgendwann muss jede spannende Serie ihr Ende finden. Der Plot der Show „Brexit – Wie Großbritannien den Weg aus der EU nicht fand“ ist jedenfalls langsam so absurd, dass es kaum noch zu ertragen ist. Premierministerin Theresa May hat tatsächlich ihren Rücktritt ins Spiel gebracht – als Gegen„leistung“ für die Zustimmung zu ihrem Deal quasi. Als der EU freundlich gesinnte Bürgerin mit leichter Brexit-Ermattung wünschte man sich nichts sehnlicher, als dass das Ganze endlich ein Ende hat, das Abkommen mit der EU schließlich durch ist und die grässliche Brexit-Bredouille somit passé.
Blöd nur: Sollte dieser Plan aufgehen, dräut der EU in der nächsten Phase der Verhandlungen noch mehr Drama: Denn wer soll schon nach May kommen? Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die britischen Konservativen einen ihrer Ultra-Brexiteers an die Parteispitze hieven würden – oder zumindest jemanden, der den Wünschen dieser Gruppe noch stärker Rechnung tragen wird als May.
Ein solcher Nachfolger dürfte erst einmal versuchen, es denen in Brüssel so richtig zu zeigen und sich als Aufräumer nach Theresa Mays Herumgerödel zu inszenieren – schließlich hören die Verhandlungen mit der EU in der Übergangsphase nicht auf. Einige britische BeobachterInnen sehen eine solche Haltung in den jüngsten Äußerungen der konservativen Brexit-Ultras von der European Research Group (ERG). Dem Deal jetzt zuzustimmen, später lasse sich das schon noch alles umbiegen – diese Position scheine sich bei einigen innerhalb der ERG herauszukristallisieren, twitterte etwa der Politikkolumnist Rafael Behr vom Guardian.
Doch ob diese Wendung eintreten kann, dürfte sich erst in den nächsten Folgen dieser Schauerserie zeigen – ob die Abgeordneten am Freitag noch mal über Mays Abkommen abstimmen würden, war bis Redaktionsschluss unklar.
Empfohlener externer Inhalt
Es bleibt der ungeheure Wunsch, endlich eine Lösung – irgendeine! – zu finden. Denn so schön sich die Popcorn-Drama-Analogie einfügt, so schäbig ist es doch am Ende: Beim Brexit geht es um echte Dramen, die Rechte von Millionen von BürgerInnen betreffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“