Kommentar Marburger Solarstatut: Einmischung von oben
Die Stadt Marburg sollte hart bleiben und sich weigern, das Solarstatut zurückzunehmen.
E in Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung, so lautet ein beliebter Spruch unter Juristen. Die Stadtverordneten aus Marburg haben diesen Blick natürlich längst riskiert und in der Landesbauordnung von Hessen nachgelesen, dass Gemeinden Vorschriften "zur Verwirklichung von Zielen des rationellen Umgangs mit Energie" erlassen können. Sie haben gelesen, dass "bestimmte Heizungsarten vorgeschrieben" werden können, sofern dies "zur Vermeidung von Umweltbelastungen geboten" ist. Also machten sie die Nutzung von Solarwärme für Neubauten zur Pflicht. Ein Widerspruch zum Landesgesetz ist darin nicht erkennbar.
Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Der Klimawandel und die effiziente - und kostensparende - Nutzung von Energie zählen seit Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit. Foto: taz
Das Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsidium Gießen, will die Solarsatzung dennoch kippen. Unzulässig soll sie sein. Doch das Ansinnen klingt reichlich absurd, wenn man bedenkt, wie weitreichend die Vorgaben des Baurechts in anderen Fällen durchaus sein dürfen. Da müssen Häuslebauer Stellplätze anlegen, obwohl sie über keinen Pkw verfügen - was viel Geld kostet. Oder es schreiben Kommunen die Farben der Ziegel, die Bepflanzung des Gartens oder die Dachneigung und -ausrichtung vor. Und nun soll es nicht zulässig sein, Bauherren zur Nutzung der Sonnenwärme zu verpflichten? Kaum vorstellbar.
So riecht der Widerstand aus Gießen stark danach, dass hier eine Noch-CDU-Landesregierung einem rot-grün-dominierten Stadtparlament den Erfolg nicht gönnt. Denn das Projekt aus Marburg ist wegweisend. Mit ihrer Solarsatzung gilt die Stadt als Musterbeispiel zukunftsweisender Baupolitik. Längst denken Kommunalpolitiker in anderen Städten über ähnliche Regelungen nach.
Die Stadt Marburg sollte deswegen hart bleiben. Sie sollte sich - was sie auch bereits angekündigt hat - weigern, die Satzung zurückzunehmen. Auch wenn es bitter ist: Offensichtlich ist der Gang vor Gericht die einzige Möglichkeit, um der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen. Eine Behörde, die angesichts der fortschreitenden Klimazerstörung sich derart ignorant gebärdet wie jetzt das Regierungspräsidium, gehört per Gericht ruhiggestellt.
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