piwik no script img

Kommentar Magazin sucht ChefIm Spiegel arbeitet noch wer

Kommentar von Steffen Grimberg

"Focus"-Chef Markwort gibt den wirren Mitbestimmungs-Ideen der 68er die vermeintliche Schuld am Personal-Debakel. Völlig daneben. Der gezeigte Dilletantismus ist einfach nur menschlich.

C hefredakteur verzweifelt gesucht, heißt es derzeit beim Spiegel. Und natürlich kann man es sich nach der Absage von ZDF-Moderator Claus Kleber leicht machen: Ja, die kalte Absetzung von Stefan Aust, der den Spiegel immerhin ziemlich unbeschadet durch alle Medienkrisen der letzten Jahre geführt hatte, war unwürdig und dilettantisch.

Dass dann auch noch die überraschende Einigung auf den Nachfolge-Kandidaten Kleber früh den Weg in die Medien fand und dem ZDF Zeit ließ, seinem "heute-journal"-Chef unwiderstehliche Angebote zu machen, gehört auch nicht zu den allerbesten Lehrstücken gelungener Personalpolitik.

Jetzt allerdings wie Spiegel-Intimfreund Helmut Markwort über den selbstverwalteten Laden - der Spiegel-Verlag gehört zu etwas mehr als der Hälfte seinen MitarbeiterInnen - herzuziehen, ist Quatsch. Auch wenn sich Focus-Chef Markwort reichlich Mühe gibt, den wirren Mitbestimmungs-Ideen der 68er die vermeintliche Schuld am Hamburger Personal-Debakel in die Schuhe zu schieben: Der Spiegel hat drei Gesellschafter - die Mitarbeiter, den Verlag Gruner + Jahr und die Augstein-Erben -, die sich in vielen Dingen alles andere als einig sind. Indiskretionen sind da Ehrensache.

taz

Steffen Grimberg ist Redakteur im taz-Medienressort

Und der an den Tag gelegte Dilettantismus beweist eigentlich auch nur, dass beim Spiegel entgegen anderslautenden Gerüchten immer noch Menschen arbeiten - was einem das Hamburger Nachrichtenmagazin fast schon wieder sympathisch macht.

Die Debatte um die Kleber-Absage zeigt auch, dass zumindest die gefühlte Bedeutung des Spiegels in der Bundesrepublik nach wie vor hoch ist. Denn wäre eine vergleichbare Aufregung inklusive Eilmeldungen der Nachrichtenagenturen denkbar, nur weil der Burda-Verlag eine Chefpersonalie beim Focus vergeigt? Und interessiert sich, JournalistInnen vielleicht ausgenommen, wirklich noch jemand für die Chefredaktion beim Stern?

Der Spiegel hat außerdem weiterhin einen Chefredakteur. Er heißt bis Ende 2008 Stefan Aust.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!