Kommentar Lukas Podolski: Ich sind viele

Wie wärs, wenn Lukas Podolski mal im deutschen, mal im polnischen Trikot auflaufen würde? Eine schöne Vorstellung, den Boden zu lockern. Aber leider, leider völlig unrealistisch.

Lukas Podolski ist ein Glücksfall nicht nur für die deutsche Fußballmannschaft, sondern mehr noch für die gestressten polnisch-deutschen Beziehungen. Als Kind von Spätaussiedlern blieb ihm der Druck zur Anpassung an die deutsche Gesellschaft erspart, dem viele seiner aus Polen kommenden Altersgenossen in ihrer Jugend ausgesetzt waren. Ein kölscher Jung, der, obwohl er seine oberschlesische Heimat Gliwice (Gleiwitz) schon mit zwei Jahren verließ, ein ausgezeichnetes Polnisch erlernte. Einer, der sich im selben Atemzug zu Polen als Mutterland und zu Deutschland, insbesondere aber zu Köln als Fußball-Vaterstadt, bekennt.

Früher, als das "Deutschtum" im Vereinsfußball noch den Ton angab, war das weniger einfach. Die Großen des Ruhrgebietsfußballs von Fritz Szepan über Horst Szymaniak bis Stan Libuda (An Gott kommt keiner vorbei - außer Libuda!) hatten über die Jahrzehnte hinweg ihre polnischen Wurzeln vergessen oder verleugnen müssen. Denn nach 1933 vernichteten die Nazis im Ruhrgebiet ein lebendiges polnisch-deutsches Vereinsleben, zerstörten eine multinationale Kultur und zwangen die Vereine - wie beispielsweise im Fall von Schalke 04 geschehen -, für Spieler mit verdächtigen polnischen Namen "deutsche" Unbedenklichkeitserklärungen abzugeben.

Fußballprofis oberschlesischer oder masurischer Herkunft können heute in Deutschland selbstbewusst auftreten und die zahlenmäßig bedeutende polnisch-deutsche Minderheit in der Bundesrepublik ermuntern, stärker als Mittler zwischen den Nationen zu wirken. Wie wärs, wenn Lukas Podolski mal im deutschen, mal im polnischen Trikot auflaufen würde? Eine schöne Vorstellung, den Boden zu lockern. Aber leider, leider völlig unrealistisch angesichts des Reglements.

Dennoch - die Internationalisierung das Profikaders im deutschen Vereinsfußball nagt auch am ethnisch homogenisierten Nationalteam. Podolski ist noch Deutscher kraft Deutschstämmigkeit, Asamoah aber ist Deutscher "nur" kraft Staatsbürgerschaft. Die rasche Einbürgerung von Fußballprofis hat zwar den Makel der Selektivität ("deutsches Interesse") beschleunigt, aber die Abkehr vom Deutschsein kraft Blut und Abstammung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.