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Kommentar LoveparadeFatale Verkehrung der Realität

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Duisburgs Stadtoberhaupt steht wie eine deutsche Eiche, 21 Tote hin, mehr als 500 Verletzte her. Es wäre ein Skandal, würde er es schaffen, im Amt zu bleiben.

I mmer neue Details machen immer anschaulicher, was schon unmittelbar nach der Duisburger Loveparade offensichtlich war: Eine fatale Mischung aus Größenwahn, Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit hat zu dem schrecklichen Unglück geführt. Angefangen mit Oberbürgermeister Adolf Sauerland drücken sich die Verantwortlichen weiter um ihre Verantwortung, versuchen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Es ist ein erbärmliches Schauspiel, was seit mehreren Wochen in Duisburg aufgeführt wird - und eine Verhöhnung der Opfer.

Da sei "so eine richtige bürgerliche Null-Bock-Generation entstanden", befürchtete die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth nach dem sofortigen Rücktritt Horst Köhlers sowie den angekündigten Demissionen von Roland Koch und Ole von Beusts. Was man auch immer Adolf Sauerland vorwerfen kann: das nicht.

Duisburgs Stadtoberhaupt steht wie eine deutsche Eiche, 21 Tote hin, mehr als 500 Verletzte her: Auch zwei Wochen nach der Katastrophe weigert er sich weiter beharrlich, sein Amt auch nur ruhen zu lassen. Es wäre ein Skandal, würde er es schaffen, im Amt zu bleiben. Allerdings könnte ihm dank der Grünen das Unfassbare tatsächlich gelingen. Indem sie sich mit fadenscheinigen Argumenten gegen seine Abwahl stemmt, demonstriert deren Duisburger Ratsfraktion ihre zynische Gleichgültigkeit gegenüber dem Geschehenen. Politische und persönliche Loyalitäten sind ihr wichtiger.

Bild: taz

Pascal Beucker ist NRW-Korrespondent der taz.

Allerdings stehen die örtlichen Grünen mit ihrer Unterstützung Sauerlands nicht alleine. Es mehren sich die Stimmen, die ihn in einer fatalen Verkehrung der Realität jetzt zum Opfer erklären. Statt die jeweilige Verantwortung zu klären, wird vernebelt: Weil viele für das Loveparade-Fiasko verantwortlich seien, dürfe nicht einer dafür verantwortlich gemacht werden, heißt es. Das jedoch würde in der Konsequenz bedeuten, dass niemand mehr Verantwortung übernehmen müsste. Was für eine billige Logik.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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4 Kommentare

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  • L
    Lilly

    Ich kann Pascal Beucker nur zustimmen! Zum Vertrauen in die Institutionen trägt das unerträgliche Post-Loveparade-Drama kaum bei. Kann man auf die Staatswanwaltschaft hoffen? Mehr Courage u/o Sachverstand, dann hätten alle feiern können.

  • HP
    Horst Pachulke

    In völliger Verklärung der Realitäten wird in den vorigen Kommentaren - wie auch in fast wortgleichen Kommentaren in anderen Foren - nicht erwähnt, dass die Genehmigung für dieses "Event" nie hätte erteilt werden dürfen. Die Erteilung dieser Genehmigung war ein klarer Gesetzesverstoß. Gelebte Anarchie schien mir bisher nie eine Tugend des bürgerlichen Lagers - man lernt nie aus.

     

    Dass es nun immer weniger Menschen werden, die tatsächlich da waren - auch das ist ein Teil der verdrehten Realität.

    Irgendwann war gar niemand mehr da, es gab also gar keine Toten, weil: Wo niemand ist, kann auch niemand zu Tode kommen.

    Überboten wird diese Dreistigkeit der Argumentation nur dadurch, dass die weghalluzinierten Menschen ("nur" 150.000) als Grund dafür angesehen werden, dass BM Sauerland richtig gehandelt habe. Nicht dafür, dass das vorhandenen Konzept (über das Entwurfsstadium kam es nie hinaus, das stimmt) nicht einmal die Hälfte der veranschlagten Besucher verkraftete - und trotzdem genehmingt wurde...

  • MN
    Mein Name

    Rücktritte forden ist immer die einfachste Methode sich abzureagieren. Aber Vorsicht: Es ist noch nicht alles bekannt und Besonnenheit ist nicht per se schlecht. Auch nicht, wenn eine Katastrophe passiert ist.

     

    Davon abgesehen: Die Veranstaltung hätte ohne Stadtratsbeschluss nicht stattfinden können. Also: Müsste doch der ganze Stadtrat, der OB und der zurtändige Dezernet zurücktreten. Allein den Rücktritt des Oberbürgermeisters zu forden ist Sündenbockhetzerei.

     

    Im Übrigen sind der Vernastalter und diejenigen, die von hinten gebrückt haben, obwohl es nicht weiterging auh schldig. In unterschiedlichem Maße, aber wieso der Veranstalter kaum noch beachtet wird in der Debatte ist mir unklar. Immerhin hat er gegen alle Bedenken mit Zeil Geld zu verdienen und sein Unternehmen zu bewerben die Veranstaltung durchgesetzt und durchgeführt.

  • F
    Fritz

    Das ist ja ein richtig doofer Kommentar. Was hat er falsch gemacht und wie hat sich genau dieser Fehler ausgewirkt? Immerhin gab es zum Zeitpunkt des Unglueckes nicht eine Million, die zu erwarten waren, sondern lediglich 150.000 Besucher. Dass er die Veranstaltung wollte, kann kein Fehler sein. Der Veranstalter und wer nicht sonst wollte sie auch, Pleitgen sowieso.

     

    Stellen wir uns doch mal vor, er haette alles richtig gemacht und es waere trotzdem zu dem Unglueck gekommen. Es sieht doch so aus, als haetten nur die Ordner des Veranstalters voll versagt und als haette die Polizei darauf nicht genuegend reagiert. Dafuer kann er nicht verantwortlich gemacht werden. Warum tritt der Innenminister nicht zurueck?