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Kommentar LinksparteiEin Programm für die Opposition

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Mit dem neuen Grundsatzprogramm ist besiegelt, was ohnehin klar war: 2013 werden Gysi & Co nicht regieren. Es gibt keinerlei Perspektive für Rot-Rot-Grün.

D ie Linkspartei ist eine verwunderliche Organisation. Sie besteht fast nur aus Flügeln, Gruppen, Fraktionen. Sie ist eine Partei ohne Mitte. Gregor Gysis Versuch, mit Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ein ausgleichendes Zentrum zu etablieren, ist spektakulär gescheitert. Und trotzdem hat die zerstrittene Partei mit fast 97 Prozent Zustimmung ein Grundsatzprogramm beschlossen.

Das zeigt, dass Fundis und Pragmatiker wissen, dass sich eine Spaltung nicht rechnet. Mag sein, dass auch der Außendruck die Partei stabilisiert. Fakt ist: Sie ist stabiler, als es sich etwa die SPD wünscht, die schon seit 20 Jahren sehnsüchtig und vergebens darauf wartet, endlich die Reste der linken Konkurrenz aufsaugen zu können.

Mit dem neuen Grundsatzprogramm ist zudem besiegelt, was ohnehin klar war: 2013 werden Gysi & Co nicht regieren. Die Linkspartei hat sich ein Programm für die Opposition im Bund gegeben. Das ziemlich strikte Nein zu Bundeswehreinsätzen würde es noch nicht mal erlauben, Hilfslieferungen militärisch abzusichern. Außerdem scheint Oskar Lafontaine doch ernsthaft nach Berlin zurückkehren zu wollen. Es gibt also keinerlei Perspektive für Rot-Rot-Grün.

Bild: taz
STEFAN REINECKE

ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Die Linkspartei will übrigens nicht alle Drogen legalisieren. Sie hat zwar beschlossen, "langfristig" alle Drogen freizugeben - aber dass es Heroin im Aldi-Regal gibt, war nie gemeint. Außerdem hat sie diese Formulierung, die eher einer überforderten Parteitagsregie geschuldet war, korrigiert. Die Linkspartei ist nicht libertär, sondern konventionell und ordentlich. Es ist eine Partei, die eher zum Rentnergedeck - Bier und Schnaps - neigt als zur hippen Partydroge.

Eine Droge, die die Linkspartei kurzfristig hochpuscht, ihr aber langfristig übel schaden wird, ist ihre Abhängigkeit von der SPD. Das neue Parteiprogramm wurde symbolisch in Erfurt verabschiedet, wo sich die SPD 1891 strikt marxistisch ausrichtete. Die Linkspartei fordert ein Willy-Brandt-Friedenskorps, und Lafontaine schimpft auf die SPD, als würde Schröder noch regieren. Das wirkt kindisch, regressiv, so als wolle da jemand seine Eltern ärgern.

Die Linkspartei muss sich von ihrer negativen Fixierung auf die Sozialdemokratie lösen. Sie muss mehr eigenes Gewicht bekommen, auch Selbstvertrauen, das sich nicht nur aus Abgrenzung speist. Als ewiger Aufpasser der SPD wird sie wirklich überflüssig.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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15 Kommentare

 / 
  • W
    WaltaKa

    Sie tun ja gerade so, als ob das gemeinsame regieren mit SPD und Grünen das Höchste wäre. Man kann als Partei existieren, eine Meinung haben und diese vertreten, ohne sich in diesem Lande koalitionsfähig mit den neoliberalen Parteien SPD und Grüne und taz hinzubiegen. Alleine durch ihre Existenz und ihre bisherigen Wahlerfolge hat die Linke den neoliberalen Durchmarsch in den o.g. Parteien etwas verlangsamt.Ohne die Linke wäre das Soziale im Lamde Erinnerung an tife ferne Zeit. Ohne die Linke gäbe es nur taz-Prpoaganda.

  • F
    FRITZ

    Das (einzig) verlässlich Gute an der dt. Linken (nicht der Partei, sondern dem difusen Meinungskaleidoskop links der FDP) ist, dass sie sich durch ihre konstante Selbstzerfleischung /-spaltung und ihrer Neigung zur Peinlichkeit regelmäßig selbst demontiert und das sogar dann prima hinkriegt, wenn die Regierung unendlich schwach zu sein scheint (CDU, weil sie für die Griechen verantwortlich gemacht wird, warum auch immer, und die FDP, weil die Journaille den Guido voll doof findet).

     

    Man kann Herrn Lafontaine nur dankbar sein, dass er SPD und LINKE gleichzeitig in die Bedeutungslosigkeit geführt hat - nur ein wirklich großer linker Politiker schafft es, gleichzeitig zwei linke Parteien in die Luft zu jagen. Respekt! Tiefempfundenen Dank, Oskar, für diese Meisterleistung, ganz im Sinne Deines Klassenfeinds.

     

    Grüße

    Ein Klassenfeind

  • H
    HamburgerX

    Die Probleme von heute mit einer widerlegten, einseitigen und in der Praxis mörderischen Ideologie aus dem 19. Jahrhundert (Marxismus) angehen zu wollen, ist so rückständig, dass die Linkspartei nicht mehr zu retten ist, wenn sie sich nicht davon trennt und die Probleme von heute mit einem klaren Blick nach innen und außen neu zu analysieren lernt.

  • HH
    Hans Hanf

    Egal was man liest, überall gibt es nur noch Linken-Bashing. Auch in der taz.

     

    Ich hab nichts gegen Parteienkritik, im Gegenteil. Aber sie darf eben nicht einseitig sein und nur darauf aus sein, eine Partei schlecht zu machen.

     

    Wieso liest man nirgendwo, dass

     

    -die anderen Parteien klammheimlich Forderungen der Linken übernehmen

    -nur die Linke konsequent Kriegseinsätze ablehnt

    -nur die Linke Hartz 4 rückgängig machen will

    -nur die Linke die Macht der Konzerne und Banken grundlegend verringern will?

     

    Sind das nicht eigentlich viel wichtigere Themen, als sich regelmäßig mit der DDR-Historie eines Teils dieser Partei, mit vermeintlichen Parteistreitigkeiten (siehe 97% Zustimmung zum Parteiprogramm) oder irgendwelchen theoretischen Kommunismusdebatten zu befassen?

  • PK
    Peter Kuntze

    Lieber Stefan Reineke, tausch` doch in deinem letzten Absatz einfach "Die Linkspartei" bzw. "Sie" gegen deinen Namen und "SPD" bzw. "Sozialdemokratie" gg "Die Linke".

    Oder schau nach links auf der taz-Titelseite, wo ein selbstbewußtes VERBOTEN dir zeigt, wie es ohne "negative Fixierung", aber mit viel Selbstvertrauen gelingen kann, täglich seine Leserinnen glücklich zu machen und zum Denken anzuregen - mit/ohne "Rentnergedeck" oder "hippen Partydrogen" ist da nicht so von Bedeutung - findet

    Peter

  • TN
    Tut nichts zur Sache

    Das einzige was hierzulande Überflüssige ist, sind die neoliberalen Speichel-Lecker des Finanzkapitalismus!!!

     

    Leute STEHT ENDLICH AUF GEGEN DIESEN MASSLOSEN WAHN VON HÖHER UND WEITER!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

     

    Den Sozialismus zu verteufeln ist in etwa so dumm, wie das Feuer zu verbieten, weil man sich schonmal verbrannt hat!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  • R
    Rene

    Die Linkspartei ist gerade die einzige Partei die mit einem Konzept zur Umgestaltung des perversen Finazsektors aufwarten kann.

    Auch wenn sie in Teilen bider auftritt, allein dafür dass sie die einzige Partei ist, die die Menschen nicht immer weiter zugunsten eines perversen Finanzsystems ausbluten lassen will sollte sie an der Regierung beteiligt werden. Sahra Wagenknecht sollte Finanzministerin werden oder wenn sie der Öffentlichkeit, trotz ihrer so ziemlich alle Politiker überragenden Fachkompetenz, nicht vermittelbar ist, dann vielleicht Mr Dax. Dirk Müller, der in allen wesentlichen Punkten die Analyse Wagenknechts teilt. SPD und Grüne sind so unendlich frustrierend in dieser Krise. Und dass die SPD Oskar Lafontain noch immer als Person versteht, mit der eine Zusammenarbeit nicht möglich ist ist peinlich und kindisch. Von Seiten der SPD stünde gegenüber Lafontaine angesichts dessen was sich heute zeigt, eine Entschuldigung an. WIE RECHT hatte Lafontaine die Regierung zu verlassen, weil mit dieser nicht nur keine stärkere Regulierung der Finazmärkte möglich war, sondern diese 'linke' Regierung sich in Deregulierung derselben gefiel. Das müsste doch nun langsam auch mal die SPD anerkennen können.

  • E
    E.A.

    Haben Sie überhaupt das Programm gelesen? Nein? Warum ziehen sie dann so offensichtlich über die Linkspartei her?

  • PG
    Peter Gbiorczyk

    Stefan Reinecke sollte einmal Hartz IV-Empfänger (die sich den Bezug der taz gar nicht leisten können) befragen, ob für sie nicht doch noch Gerhard Schröder regiert. Sich gegen diese noch heute von der großen Mehrheit der SPD und allen anderen Parteien vertretenen "Sozial"-politik zu wenden als kindlichen Protest zu bezeichnen ist wohl eher die Verweigerung ernsthafter Arbeit an einem Kommentar und die Offenbarung politischer Vorlieben eines Journalisten. Schleierhaft bleibt auch, warum Stefan Reinecke etwas gegen das politische Wirken alter Männer hat. Dieses Schicksal wird ihn schneller als er glaubt ereilen und er wird dann auch dafür sein, dass die Argumente und nicht das Alter zählen. Es ist doch mittlerweile unbestritten (an anderer Stelle auch heute in der taz zu lesen), dass der "alte" Oskar Lafontaine die hemmungslose Bereicherung weniger zu Lasten der Mittelschicht und der Armen durch die von der SPD inszenierten Deregulierung der Finanzmärkte und der Steuerentlastungen für die Reichen vorausgesehen hat. Deshalb zog er mit dem Rücktritt die Konsequenzen. Wenn er nun in der Partei wirkt, die als einzige mit ihren Grundsätzen seinen Einichten entspricht, kann das bedeuten, "nur" Oppositionspartei zu sein. Das aber ist dann noch besser, als das wir von allen Partien hinter das Licht und in noch größere soziale Verwerfungen geführt werden.

  • H
    Hans

    Niemand will Rot-Rot-Grün haben, vor allem SPD und Grüne hoffen auf das langsam Sterben der Linken. Wenn es jemals zu so einer Konstellation kommt, dann nur, weil die Grünen, weil die SPD muss. Die Linke will das im Prinzip, kann sich alleine dafür aber kaum stark machen, ohne ihr Profil zu velieren.

     

    Mit den Piraten, einer bürgerlichen Trümmertruppe könnte die Konstellation aber doch noch hier und da auftauchen.

  • D
    deviant

    Ein schöner Artikel: Ich stimme Ihnen zu: Mit dieser SPD und diesen Grünen ist tatsächlich keine linke Koalition zu machen.

     

    Und natürlich muss sich Die Linke von der negativen Fixierung von der SPD lösen, um nicht überflüssig zu werden. Zunächst, weil die SPD keine linke Politik machen will, ein linker Aufpasser per se also überflüssig ist, zum Anderen aber auch, weil die SPD seit Jahren bereits nicht mehr fähig ist, politische Debatten anzustoßen - jenseits der rassistischen und chauvinistischen Beitrage der Mitglieder Buschkowski und Sarrazin. Die SPD positioniert sich heute nur noch zu den Debatten von CDU und Grünen, gelegentlich zu den Steuersenkungsplänen der FDP, sie führt aber keine Debatten mehr. In der öffentlichen Wahrnehmung sind längst die Grünen die Oppositionsführer im Bundestag, insbesondere durch die schamlose Anbiederung der SPD an Merkels CDU trotz anderer Möglichkeiten in McPomm und Berlin.

     

    Was Die Linke braucht, ist ein progressives, antikapitalistisches und pazifistisches Programm, dass sich, natürlich, auf die Opposition beschränkt um damit solide und seriöse Politik zu machen.

    Und dann muss sie nur noch hoffen, dass die "99%", die die Herrschaft der kapitalistischen Plutokratie ablehnen und auch die imperialistischen Kriege der Bundeswehr in aller Welt ablehnen, merken, dass es längst eine Partei gibt, die ihre Ideal vertritt, sie also nicht auf der Straße herumblöken müssen, um dann doch wieder die alte Politik zu bestätigen, die sie doch so ablehnen.

     

    Wird natürlich nicht passieren, aber das ist vielleicht auch ganz gut so. Gott bewahre, dass die Deutschen eine Politik wählten, die ihre Ideale vertritt - über wen sollte man denn dann schimpfen?

  • V
    vic

    Ich habe noch nie Die Linke gewählt, damit sie regiert.

    Sondern weil es Die Linke ist.

    In einer Koalition- in welcher auch immer- ist die Linke nicht mehr links; siehe Grüne. In der Mitte sind schon zu viele.

  • K
    Klaus

    Ein Kommentar von Stefan Reinecke: damit ist besiegelt, was ohnehin klar war: Stefan Reinecke krittelt einmal mehr an der Linken rum, die in seinen Kommentaren seit Jahr und Tag alles falsch macht und böse ist und trotzdem wird Reinecke hartnäckig nicht zum Spiegel berufen, wo er mehr Geld verdienen könnte. Die Welt ist ungerecht. Ich warte schon mit Spannung auf den nächsten Kommentar von Stefan Reinecke: wahrscheinlich hat dann die Linke mal wieder was falsch gemacht.

  • E
    eigentlichschon23

    bei schlagzeilen wie diesen fragt man sich doch, ob die beziehung die reinecke zur linken hat nicht wie bei sooo vielen anderen kritikern dieser partei vielmehr ein egoproblem ist als ein inhaltlich politisches. ich verstehe ja, dass er die grünen lieber wählt.

     

    aber welches problem er mit einer partei hat, die sich für pazifismus und eine fortschrittlichere drogenpolitk einsetzt, die sich gegen einen entfesselten kapitalismus ausspricht und die ihre umstrittene geschichte ehrlich aufarbeitet, das bringt er irgendwie nicht so richtig rüber.

     

    naja, wenn man bei der taz linke + reinecke kombiniert weiß man vorher schon was drin steht. irgendwas in die richtung arbeiterschweiß der stinkt, nicht bio, nicht digitale boheme, böse ddr, nicht prenzlauer - berg sondern lichtenberg, nicht freiberufler sondern putze ergo: lieber grün wählen. langweilt!

  • A
    anke

    Sind Sie sicher, Herr Reinecke? Ich denke, das Beste, was eine Linkspartei in der Opposition überhaupt sein kann, ist: SPD-Aufpasser (und Grünen-Korrektiv). Wenn ich eins gelernt habe aus der Geschichte, dann ist es nämlich dieses: Eine Konkurrenz-Gesellschaft ohne jede echte Konkurrenz taugt zu gar nichts. Außer natürlich zum Produzenten immer neuer Krisen-Schlagzeilen.