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Kommentar LinksparteiDie Retro-Partei

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei trägt weiter ihren ewigen Ost-West-Konflikt aus. Dabei sollte sie lieber diskutieren welche Rolle sie in der Eurokrise spielen will.

D ie Linkspartei hat sich stets sehr dafür gelobt, dass nur ihr eine Wiedervereinigung auf Augenhöhe gelungen sei. Es ist kurios, dass nun die Linke als einzige Partei unter einem handfesten Ost-West-Konflikt leidet. Und es sieht nicht so aus, als wäre der therapeutisch aus der Welt zu schaffen.

Das gängige Klischee sortiert die Linkspartei in extreme Westfundis und vernünftige Ostrealos. Das ist ziemlich vergröbert. Die finstere Prognose von Ostgenossen, dass die Wahlniederlagen im Westen die Partei endgültig in eine Sekte verwandeln würden, haben sich jedenfalls nicht bewahrheitet. In Nordrhein-Westfalen, wo es bei den Landtagswahlen im Mai den härtesten Rückschlag gab, haben die Genossen kürzlich die Radikaleren vor die Tür gesetzt und eine moderate neue Spitze gewählt. Das Duo Katja Kipping und Bernd Riexinger praktiziert im Bund ideologische Lockerungsübungen.

Umso verwunderlicher ist der Brief, den Ostfunktionäre kürzlich in Richtung Westlinke schrieben. Dort wird geklagt, dass niemand mit ordnungsgemäßer DDR-Biografie in der Parteispitze zu finden ist. Das hat etwas Regressives. Ausgerechnet jetzt in rostigen Rüstungen alte innerparteiliche Schlachten zu schlagen wirkt ziemlich retro.

taz
Stefan Reinecke

ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Viel wichtiger ist, welche Rolle die Linkspartei in der Eurokrise spielen will. Setzt sie auf Anti-EU-Populismus und antikapitalistische Untergangsfantasien oder auf solide, keynesianische Reformpolitik? Mit Ersterem kokettiert Sahra Wagenknecht, Letzteres repräsentieren etatistische, linkssozialdemokratische Politiker wie Axel Troost.

Dass dieser Konflikt endlich sichtbar und hoffentlich ausgetragen wird, ist keine bloße Fortsetzung des immer gleichen, ermüdenden Flügelstreits. Es ist vielleicht der Zukunftskonflikt, an dem sich zeigen wird, ob die Linkspartei Konstruktives zu sagen hat. Wollen die Ostrealos in der Linkspartei dabei ernsthaft mitspielen – oder lieber die Vergangenheit verwalten?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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12 Kommentare

 / 
  • A
    Arne

    @Teemaschine:

    Island hat einen Sozialhilfesatz von umgerechnet fast 1000 € für Alleinstehende. Eine Summe, von der die deutschen Rentner, glaubt man von der Leyen und Gabriel, auch bei Aufstockungen nur träumen können.

    Island hat nach einer Faststaatspleite es geschafft, schon ein Jahr später wieder nur einen Platz hinter Deutschland in der Liste der Länder des Bruttoinlandproduktes pro Kopf zu stehen. Und in Kaufkraft ausgedrückt sind sie jetzt schon wieder weit über der BRD.

    Richtig ist, dass die Isländer es (sogar per Volksabstimmung) abgelehnt haben, auch die ausländischen Schuldner zu entschädigen. Dies war für unsere niederländischen Nachbarn tatsächlich bitter, hat aber auch nur zu Einsparungen geführt, die jetzt wieder zu Neuwahlen führen und die bisherige Regierung mit einem Wilders ablösen wird. (So gesehen auch nur alles von Vorteil!)

    Es ist jedoch richtig, wenn die Isländer davon ausgehen, dass derjenige, der im Ausland investiert, weil er dort gute Zinsen erwartet, auch ein Risiko trägt. Es ist weder die Aufgabe der isländischen noch sonst irgendwelcher Steuerzahler, Menschen, die Profit machen wollen ohne ihre Arbeitskraft einzusetzen und dafür auch ein entsprechendes Risiko eingehen müssen, von diesem Risiko zu entlasten.

  • JE
    Joachim Endemann

    “… solide, keynesianische Reformpolitik …”

     

    Mit wem könnte die durchgesetzt werden? Mit der SPD, mit den Grünen? Unwahrscheinlich, die wollten die doch das letzte Mal auch nicht durchsetzen. Oder glauben Sie, daß da eine Läuterung erfolgt sei? Hm, „solide keynesianische Politik“ betreiben, wenn man eine „Schuldenbremse“ u n d einen „Fiskalpakt“ gutheißt? Oder sollte man diese neoliberalen Instrumente etwa anreichern mit einem „Wachstumspakt“? Dann wüßte ich aber nicht, was Sie unter „solider keynesianischer Politik“ verstehen wollten. Na ja, ist auch egal, am Ende kommt bei SPD und Grünen doch nur Politik heraus. Aber die machen die vom anderen neoliberalen Flügel auch.

     

    Sehr geehrter Herr Reinecke, Sie sitzen allerdings im Parlamentsbüro, da haben Sie selbstverständlich eine andere Perspektive als ich. Aber finden Sie nicht auch, daß es keinen Grund mehr gibt, nicht polemisch zu sein?

     

    Mit freundlichen Grüßen, Joachim Endemann

  • L
    LJW

    Das war ja mal wieder voll daneben , Herr Reinecke!

    Die meisten Kommentare sehn die Dinge völlig richtig, besonders Max, der meine Meinung vorweg nimmt.

    Dass die sogenannten Ost-Realos den westdeutschen Linken zuweilen Problem bereiten ist nicht neu und in einer diskussionsoffenen Partei kein wirkliches Problem.

    Die Angriffe auf Sahra Wagenknecht entbehren jeder intelligenten Grundlage, aber sie entsprechen dem Argumentationsniveau von Herrn Reinecke. Leider!

  • N
    Nordwind

    Tja, wenn man so die Mainstreammedien ließt kommte man ganz schnell auf den Gedanken den Begriff Journalist mit einer anderen Definition versehen zu müssen.

     

    Was Reinecke hier abliefert zeugt mal wieder von einem ausgeprägten Mangel an Information oder mangelnder intellektueller Durchdringung des "untersuchten" Gegenstandes.

     

    Wenn Reinecke Wagenknecht in die Anti-EU-Ecke schiebt zeugt dies doch von einer deutlich verzerrten Wahrnehmung. Diesen Mangel könnte man leicht durch die Lektüre Wagenknechtscher Schriften beseitigen. Auch wäre Zuhören ab und an mal angebracht.

     

    Reinecke scheint zu jenen Schreiberlingen zu gehören die es sich sehr einfach machen. Man hängt sich an den Mainstream indem man Marginalien berichtet und diese solange aufbläst bis man glaubt eine Schlagzeile zu haben. Dabei ist es auch Wurscht ob die gemachten Aussagen überprüftbar sind. Denn die Aufgabe des Mainstreamschreiberlings ist es schließlich Meinung erst zu machen.

     

    Und so gibt Reinecke den überangepassten wiederkäuenden Aufbläser.

  • T
    Teermaschine

    @) Arne

     

    Zitat:

    "Banken pleite gehen lassen und die Sparer entschädigen"

     

    Woher kommt ihre Begeisterung für das "isländische Modell"? Kokettieren Sie auch mit ihrem gefährlichen Halbwissen wie Frau Wagenknecht? Wer sind denn die "Anleger", die vorzugsweise in langweilige "Staatspapiere" investiert haben? Sind das mehrheitlich Finanzspekulanten, die den schnellen Reibach suchten? Wie sieht denn die Entschädigung der vielen "nicht-isländischen" Sparer aus? - Tatsächlich ruht die Altersvorsorge vieler Millionen Menschen in Europa auf eben diesen "langweiligen Staatsanleihen". Es sind halt nur die wenigsten üppig altersversorgt wie eine deutsche Bundestagsabgeordnete oder eine Beamtin.

  • M
    max

    der retro-kommentator:

    stefan reinicke wird nicht müde, die linkspartei runterzuschreiben und das wird allmählich sowas von langweilig.

    obgleich dieser artikel vorgibt, sich mit dem angeblich "ewigen" ost-west-konflikt in der linken zu beschäftigen, kommt dann wieder ein damit in keinem zusammenhang stehendes wagenknecht-bashing bei raus.

    es bleibt der eindruck eines autors, der es nicht verwinden kann, dass frau wagenknecht nicht mehr zum stasi/mauer/betonkopf-symbol taugt, mit dem man die linke diskreditieren kann, sondern längst eine vorzeigekraft in der analyse des aktuellen wirtschaftssystemproblems ist.

    aber herr reinicke dichtet der frau, die seinen geistigen horizont weit überschreitet weiterhin populismus und anti-kapitalistische untergangsstimmung an.

    vielleicht kommen sie einfach nicht klar, herr reinicke?

    es ist kaum erklärlich, warum sarah wagenknecht in konservativen zeitungen mittlerweile mehr interesse entgegengebracht wird und die interviews mit ihr andernorts weniger dümmlich geführt werden, als in der taz. nur hier darf derjenige, der seit jahr und tag dämlich gegen die linke schreibt ein interview erbärmlichster art mit frau wagenknecht führen. und wenn die daraus auch nach als absolut überlegen und klug hervorgeht, dann wird sie in nebensätzen in den weiteren artikeln über die linke mal eben kräftig gedisst.

    wo kämen wir denn hin, wenn sich linke nicht so verhalten, wie herr reinicke es von ihnen erwartet und auch noch deutlich klüger sind als er es ist?

    es wird allmählich wirklich peinlich herr reinicke ...

  • F
    fluppi

    Was für ein journalistischer Tiefflug. Lese ich hier die Welt oder die Taz? Mehr Verflachung und Undifferenziertheit ist wohl kaum zu erreichen. Wenn einem nichts mehr einfällt, muss man eben mit der alten Sozial=Realsozialismus-Scheisse ankommen. Wenn irgendwas retro ist, dann genau diese überkommene neokapitalistische Rhetorik.

  • RB
    Rainer B.

    Der Zusammenschluss der Linken aus WASG und PDS war von Anfang an keine Harmonieveranstaltung. Angesichts der völlig unterschiedlichen Sozialisationen und Biografien der Linken im Osten und im Westen ist das auch nicht verwunderlich.

     

    Hier wie dort ist man sich jedoch völlig einig, dass die derzeitige Klassengesellschaft überwunden werden muss.

     

    Bis heute dürfen sich junge Linke täglich SED- und Stasi-Vorwürfe anhören, obwohl Sie zu DDR-Zeiten noch in den Windeln lagen. Auch dieser Artikel hier zeugt nicht gerade von großer Sachkenntnis.

     

    Wem die Schere zwischen arm und reich noch nicht weit genug geöffnet ist, der kann sicher auf die Linke verzichten. Er findet jederzeit konstruktive Unterstützung bei CDU/FDP und SPD/Grüne.

  • A
    Arne

    Gestern oder vorgestern habe ich noch in der TAZ einen Artikel über Island gelesen, dass mit Erfolg genau das gemacht hat, was Wagenknecht vorschlägt:

    Banken pleite gehen lassen und die Sparer entschädigen.

     

    Ich weiß jetzt leider nicht, ob dieser Artikel auch bei taz-Online vorliegt oder nur in der gedruckten Ausgabe.

    Herrn Reinecke sei ggf. empfohlen, sich auch mal die gedruckte Ausgaben der taz anzuschauen.

  • H
    hunter

    "solide, keynesianische Reformpolitik"

     

    Fast hatte ich schon den Verdacht, dass hier nun endlich einmal ein TAZ Artikel vorläge, der wenigstens die Einwände gegen das neoliberale Tun unserer sog. Rettungskräfte á la Merkel und Draghi angemessen beleuchten würde. Na ja, wieder einmal Fehlanzeige.

     

    Wenn der Autor aber so weit geht, die Gegenposition Wagenknechts, d.h. die jetzige Politik, als "solide" zu bezeichnen, kann ich diese Haltung nur als völlig borniert bezeichnen. Entschuldigung, aber ein anderes Wort fällt mir hierzu nicht mehr ein.

  • RF
    Roter Fisch

    Zu dem Wagenknecht-Teil: Das ist doch wieder mal Humbug. Hier die Radikale, dort der Pragmatische..

     

    Wagenknecht hat eindeutig Stellung bezogen, dass der Euro eben nicht zusammenbrechen darf, weil die Folgen dramatisch wären. Auch hat sie schließlich ein Konzept das bestehende System zu retten, mit einhergehendem grundlegendem Umbau. Da ist aber keine Rede von einem gewollten Zusammenbruch...

  • LC
    Lara Croft

    Na, Frau Wagenknecht hat ja nun inhaltlich wesentlich mehr zu bieten.

     

    "Setzt sie auf Anti-EU-Populismus und antikapitalistische Untergangsfantasien oder auf solide, keynesianische Reformpolitik? Mit Ersterem kokettiert Sahra Wagenknecht,"

     

    Nebenbei: Wem absolut nix einfällt, außer weiterer neoliberaler Politik in der Finanzkrise, das sind die Grünen.