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Kommentar LinksparteiEin intellektuelles Armutszeugnis

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Zur tiefsten Krise des Kapitalismus fällt den Ost-Reformern nichts ein. In rot-roten Koalitionen ist die Linke handzahm: ein intellektuelles und machtpolitisches Versagen.

E s ist nicht klar, was Lafontaine zu seinem Anti-Euro Kurs treibt, ob es mehr melancholische Rechthaberei oder populistische Effekthascherei ist. Das spielt auch keine Rolle. Sicher ist, dass die Linkspartei als neonationalistische Kraft, die mit der „Alternative für Deutschland“ konkurriert, zur Splitterpartei verkommen würde. Wäre Oskar Lafontaine noch ihr Chef, dann hätte die Linkspartei derzeit die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Spaltung und Untergang.

Die Parteiführung hat es recht geschickt verstanden, Lafontaines destruktive Energie einzuengen. Als Bernd Riexinger vor einem Jahr Parteichef wurde, hielten ihn manche nur für den Stellvertreter von Lafontaines Gnaden. So ist es nicht: Riexinger ist ein eigenständigerer Kopf als Klaus Ernst. Das zahlt sich nun aus.

Nebenbei legte die Eurodebatte wieder mal die Schwäche der Ost-Reformer bloß. Zu Finanz- und Eurokrise fällt den Realos nichts ein. Sie haben bis dato weder Köpfe noch Konzepte hervorgebracht. Es ist nicht nur ein intellektuelles Armutszeugnis, dass die Ost-Reformer zur tiefsten Krise des Kapitalismus nichts zu sagen haben. Es ist auch ein machtpolitisches Versagen. Dabei ist zwischen Wagenknecht neomarxistischer Lust am Untergang des Kapitalismus und dem verzagten „Ja, aber“der SPD zu Merkels Europolitik Raum für vernunftgesteuerte linke Ideen.

Kurzum: Kreativ ist die Linkspartei derzeit nicht. Gefährdet wohl auch nicht. Dass sie in einem Lagerwahlkampf zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb zerrieben wird, das muss sie angesichts des Zustands von Rot-Grün nicht befürchten. Die Linkspartei verwaltet ihre alten Forderungen – Hartz IV, Rente, Mindestlohn, Reichensteuer – und hält sich zu Gute, die Rolle der „sozialen Alarmanlage“ (Katja Kipping) zu spielen.

taz
Stefan Reinecke

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Es stimmt, dass die Linkspartei auf fast alle Gerechtigkeitsthemen in diesem Wahlkampf das Copyright beanspruchen kann. Sie verfügt über die größte Durchlässligkeit gegenüber den allerdings überschaubaren Protestbewegungen. Aber reicht es für eine linkssozialdemokratische Partei, Verstärkeranlage sozialen Protests zu sein?

Das ungelöste Problem der Linkspartei bleibt die Regierungsfrage. In den rot-roten Bündnissen im Osten ist die Partei meist verlässlich bis zum Handzahmen, auf Parteitagen bedient man Anti-SPD-Reflexe. Bekannte Parolen, gemischte Gefühle. Das Kalkül dahinter ist wohl die Hoffnung, dass die – vor allem im Westen – in Atemnot befindliche Partei bald wieder eine Sauerstoffzufuhr von der SPD bekommt.

Wenn die SPD als Juniorpartner in Angela Merkels Kabinett wird, dann werden frustrierte sozialdemokratische Wähler und Funktionäre überlaufen, wie 2005. Vielleicht passiert das, vielleicht auch nicht. Sicher ist, dass die Linkspartei dies nicht in der Hand hat. Sie wäre wieder Krisengewinner, abhängig von der Schwäche der SPD – mehr nicht. Das ist zu wenig für eine Partei, die vollmundig Moral und Gemeinwohl für sich reklamiert.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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8 Kommentare

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  • L
    Ludger

    > Es ist nicht klar, was Lafontaine zu

    > seinem Anti-Euro Kurs treibt, ob es mehr

    > melancholische Rechthaberei oder populistische

    > Effekthascherei ist.

     

    Entlarvender geht's nimmer. Auf die naheliegende

    Idee, daß jemand einen Kurs verfolgt, weil er

    diesen für richtig befunden hat, kommt dieser

    Autor nicht :-D

     

    Dieses ideologische Gedröhne, 80 Jahre nach dem

    (nicht nur) intellektuellen Aderlaß -

  • J
    Jupp

    Lafontaine hat Stefan geärgert weil er sich zurückgehalten hat. Seine Denkanstöße sind ohnehin für tiefere Betrachtungen geeignet, können also keine intellektuelle Armut bedienen.

     

    Gut so, denn die Frage, wie es in der EU mit dem Euro weitergeht, bzw. mit einer Sozial- und Arbeitspolitik, die für alle in Europa Vorteile bringt, braucht nicht für diesen Wahlkampf im Hinblick auf den Teilaspekt Währung diskutiert werden.

  • U
    Ute

    Die Linke und Lafontaine "neonationalistisch"?

     

    Haben Sie Herr Reinecke auch nur einen Deut begriffen, dass Lofantaine die Frage stellte, wie die Länder Südeuropas wieder auf die Beine kommen können ohne die bislang erfolgte Massenverarmung?

     

    und das soll "nationalistisch" sein?

  • S
    Sören

    Die Linke war schon immer ein intellektuelles Armutszeugnis, weil sie zu einfache Antworten auf komplexe Fragen gibt. Sie ist nie in der Welt des 21. Jh. angekommen, und ihr paternalistisches Staatsverständnis passt nicht in eine individualisierte Gesellschaft.

     

    Die Schlüsselfrage unserer Zeit ist, wie man Chancengerechtigkeit herstellt, aber dazu fällt der Partei nur ein, die Transferleistungen zu erhöhen. Was sie nicht begreift ist, dass Menschen nicht abhängig sein wollen, sondern unabhängig. Das muss Politik ihnen ermöglichen, ohne auf eine soziale Absicherung für die großen Gefahren des Lebens(wie Krankheit, Jobverlust) zu verzichten.

     

    Aber unabhängig davon finde ich positiv, dass die Parteispitze erkannt hat, dass die Anti-Euro-Bewegung nichts weiter als eine im Kern nationalistische Bewegung ist. Lafontaines Einfluss scheint zu sinken, und das wäre tatsächlich eine Chance für die Partei.

  • C
    Cosmo

    Naja, die Linke ist die einzige Partei, die überhaupt mal Alternativen zur Merkel'schen Rettungspolitik diskutiert und benannt hat. Und die Konzepte von Frau Wagenknecht würde ich nicht einfach als Neomarxistischen Unfug abtun, die sind durchaus interessant.

    Die Linke ist nicht abhängig von der SPD. Das Zeug zur Volkspartei hat sie ohnehin nicht, und der eigene Wählerstamm bleibt unabhängig davon bestehen, was die SPD macht.

  • A
    Arne

    Komischer Kommentar!

     

    Was sollten Menschen, die die Ziele der LINKEN unterstützen, dagegen haben, wenn andere Parteien deren Ziele mittlerweile übernommen haben (haben sie bislang allerdings nur sehr zögerlich und in keinster Weise befriedigend)?

    Kann Herr Reinecke immer nur in Formen denken, wer welche Pöstchen in einer Regierung bekommt? Das hat die Grünen schon unwählbar gemacht.

     

    Die LINKE hat nach dem hervorragenden Wahlergebnis von 2009 es versäumt, sich zu spalten. So irrwitzig das ist, aber ausgerechnet in der Linken, die stark von östlichen Landesverbänden dominiert wird, ist am deutlichsten erkennbar, dass ein Großteil der Ostdeutschen und die Westdeutschen nicht zusammenpassen. Die Westdeutsche Linke hatte ihren Frust mit den realpolitischen Grünen und Sozialdemokraten schon lange vor 1998 und die Ostdeutschen ihren Frust mit dem realexistierenden Sozialismus.

     

    Mit der Entscheidung pro-Euro und somit für eine Form von stalinistischer Regelung, den Menschen in unterschiedlichen Regionen in Europa, ja selbst in Deutschland, nicht mehr die Möglichkeit zu lassen aus den vorgegebenen Bedingungen des Kapitals auszusteigen, ist es im Westen nur noch dann möglich, die LINKE zu wählen, wenn auf den Landeslisten Menschen auftauchen, die eine klare Aussage zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen machen.

  • K
    Kopfschüttler

    Die LINKE war bisher die einzige wahre Opositionspartei im Bundestag, die gegen die Euro-Verträge gestimmt hat. Am Wochenende hat sie sich davon distanziert und wurde zur Europartei, das geht so nicht!

    Ich werde sie nicht mehr wählen, dann lieber die AfD.

  • EN
    ewiges nichtmitglied

    DIE LINKE gibt für den wahlkampf die themen bei den zwei großen VOLKSparteien vor

     

    seltsamerweise sind es gerechtigkeitsthemen ,die durch DIE LINKE in den wahlkampf eingeführt wurden

     

    es ist nicht aufgabe der linken in einer klassengesellschaft den vermögenserhalt des einen prozent unsrer finanzelite sicherzustellen.

     

    dies würde bedeuten,daß die taz sich endlich der aufgabe zu stellen hätte die probleme unserer printmedien zu lösen

     

    herr reinecke wertet in der überschrift seinen kommentar treffend

     

    ....gehts eigentlich noch plumper....

     

    überall sind die SPRECHERstellen vergeben