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Kommentar Linkspartei und ihre FührungRevolte aus Verlegenheit

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei braucht eine Führung, die Streit moderieren kann und Autorität hat. Das Duo Schwabedissen/Kipping wäre ein Zeichen für eine Neuerfindung.

A uf einmal geht alles schnell, verdächtig schnell. Vor drei Tagen war eine weibliche Doppelspitze mit Katja Kipping und Katharina Schwabedissen nicht mehr als eine Art Notlösung. Ein Plan B nur für den Fall, dass bei der Schulhofschlägerei der Jungs das Parteimobiliar zu Bruch gehen sollte. Und nun scheint vieles auf dieses Duo hinauszulaufen. Denn die Linkspartei wirkt zwar nach außen so, als würde dort eine Art interner Bandenkrieg herrschen. Doch sie hat auch eine andere Seite – sie sehnt sich, vor allem im Osten, nach Harmonie. Das hart umkämpfte Parteiprogramm fanden am Ende 97 Prozent der Genossen prima.

Auf Parteitagen ist man fast immer sehr nett zueinander: Die Linkspartei ist eine ordentliche Organisation. Sie neigt wie fast alle sozialdemokratischen Parteien zum Ausgleich. Diese Mentalität kann nun Kipping/Schwabedissen, die sich als dritter Weg präsentieren, an die Parteispitze spülen – während Dietmar Bartsch mit Lafontaines Rückzug im Orkus verschwindet. Ein letzter, dummer Sieg der Lafontaine-Fraktion.

Allerdings wäre das Duo Schwabedissen/Kipping keineswegs nur ein mittlerer Weg. Es wäre ein Zeichen für eine Neuerfindung der Partei. Dieses Führungsduo wäre nicht nur weiblich und jung, sondern auch viel stärker an außerparlamentarischen Bewegungen, an Arbeitsloseninitiativen und dem Prekariat orientiert als je zuvor. Diese Linkspartei wäre im besten Falle in der Lage, den Piraten wieder Wähler abspenstig zu machen.

Bild: taz
Stefan Reinecke

ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Was misstrauisch macht, ist, wie schroff dieser Signalwechsel wäre. Größer könnte die Differenz zu dem Duo aus dem Westgewerkschafter Klaus Ernst und der Alt-PDSlerin Gesine Lötzsch kaum sein. Für die Linkspartei, die vor allem im Westen männlich, gewerkschaftlich und grauhaarig ist, wäre diese Führung eine Kulturrevolution. Aber eine, die aus Verlegenheit geboren wurde.

Katharina Schwabedissen hat in NRW gerade eine Wahl verloren. Katja Kipping will ein bedingungsloses Grundeinkommen und beißt damit seit Jahren beim Gewerkschaftsflügel auf Granit. Schwabedissen/Kipping als Führung, das wäre so, als würden die Piraten basisdemokratisch den DGB führen wollen. Die Linkspartei braucht, gerade nach dem merkwürdig Fast-Showdown, nun eine Führung, die Streit moderieren kann und Autorität hat. Ist die Linkspartei reif für diese neue Spitze?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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7 Kommentare

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  • A
    Arne

    Naja, Schwabdissen und Kipping hören sich für mich noch nicht so wie ein Traumpaar an. Der berechtigte Einwand der Farblosigkeit von den beiden sollte schon erlaubt sein (Er war evtl. auch ein Grund, warum die Linke in NRW scheiterte.) Wagenknecht wäre die wirkliche Alternative.

    Aber alles immer noch besser als Bartsch, der 2002 schon als Wahlkampfleiter es geschafft hat, die Linke unter 5% bundesweit zu drücken. Ich entsinne mich noch, wie peinlich das war, diesen langweiligen Typen in Fernsehdebatten zu sehen. Damals hatte ich dann auch keine Lust mehr, irgendwas für diese Partei zu machen. Und das wird sich auch jetzt im Westen wiederholen.

  • LN
    Lars Nolte

    Gelegentlich ist es amüsant zu beobachten, welche Art Politiker sich zu höchsten Ämtern berufen fühlen: Diejenigen mit dem miesesten Wählervotum.

    Siegmar Gabriel, verlor die LTW in NS - fühlt sich aber fähig Kanzler zu sein. Steinmeier erarbeitete das schlechteste Wahlergebnis der SPD nach dem Krieg - aber Kanzler will er werden. Steinbrück haben die Wähler in NRW krachend aus dem Landtag gewählt. Der Mann, der nicht einmal als Alternative zu dem blassen Rüttgers gesehen wurde, empfindet aber die Potenz für Kanzleramt. Frau Schwabedissen haben die Wähler in NRW gerade aus dem Landtag gedisst. Aber auf Bundesebene will sie die Partei nun nach vorne bringen. Wie bitte?!

    Ich bin der Ansicht, auch eine herbe Niederlage sollte die Kompetenz eines Politikers nicht grundsätzlich in Frage stellen. Allerdings finde ich die Häufigkeit, in der Politiker mit herben Misserfolgen, nach höchsten Ämtern streben, höchst bedenklich. Dies zeugt von einem Fehlen sämtlicher Selbstreflektion und Demut gegenüber den Wählern. Aus dem gerade verursachten Scherbenhaufen, steigen diese Politiker raus, lassen diesen von Nachfolgern wegkehren und feiern sich bei Zeiten als die große Hoffnung ihrer Partei, unseres Landes, gar Europas. Das hat was Pathologisches.

  • GB
    Giuseppe Botazzi

    Was gerne übersehen wird in dem Personaldrama der Linken: hier handelt es sich um 2 Parteien, die Partei der radikalen Linken im Westen mit stark sektiererischen Elementen und einem Wähleranteil von 2-2,5 Prozent (außerhalb der Stadtstaaten und -noch- dem Saarland) und einer ostdeutschen Volkspartei von fast 20 bis 25 Prozent. Dazu käme jetzt eine Führung der 'linksalternativ-feministischen Bewegung' (das ist nicht negativ gemeint!). Aber wie soll das integrieren?

    Schon Ernst/Lötsch haben gezeigt, dass bei einer schwachen Führung informelle Machtzentren die Partei führen (oder eben auch nicht).

    Dass allerdings eine Spitzenkandidatin aus NRW, die gerade über die Hälfte ihrer Wähler verloren hat, einem organisatorisch hoch erfahrenen Funktionär aus dem Osten zum Rückzug von seiner lange angekündigten Kandidatur auffordert, ist mit herkömmlichen (innerparteilichen)Demokratie-Begriffen nicht zu erklären.

    Dafür übertrfft Schwabedissen's Erklärung nach der herben Wahlniederlage, der Wähler habe die Linke beauftragt, ausserparlamentarisch mit den Massen zu arbeiten (oder so), an Schönrederei alle 'bürgerlichen' Parteien. Dabei wäre es auch möglich, statt von der Ampel als letzter Rettung vor der grossen Koalition auch mal über rot-rot-grün zu reden - theoretisch jedenfals...

  • GF
    Georg Fries

    Prima Artikel, wenn man den bedeutungslos gewordenen Begriff "erfindet sich neu" abzieht. In der Werbung erfindet sich alles neu, Ingolstadt erfindet sich neu; das ist die erste postmoderne Floskel für das berühmte "Phrasenschwein" geworden, oder? Die Linke würde mit den beiden Politikerinnen aber wirklich sehr gewinnen.

    Die beiden gab es ja schon seit Jahren in der Linkspartei, und außerparlamentarisch waren beide, wie tausende, schon lange aktiv. Aber für viele, die den Mitteklumpen von grün bis FDP nicht wählen können, wäre diese neue Spitze wirklich wunderbar. Es wird auch schon seit 2-3 Wochen darüber geredet, und es gab viele, die sich Schwabedissen und Kipping wünschten.

    Als ehemaliger taz-Leser könnte ich mir sogar denken, daß eine starke Linke auch die taz wieder verändern würde. Sie müßte sich nicht "neu erfinden", sie müßte nur wahrnehmen, wie sehr sie seit Jahren abgerutscht ist - eine Zeitung, mehrheitlich für pseudocoole Indifferente, die sich selbst bestätigt sehen wollen - klaaar, Lafo iss blöd, klaaar, Kritik an Gauck oder Merkel iss eh "monokausal", usw. Das war ein Irrweg, wie, ganz anders, Bartsch als Chef der Linken ein Irrweg und ein Abstieg der Linken wäre.

  • H
    Hajü

    Schon richtig gesehen! "Kulturrevolution" ect.

    Aber will Reinicke das haben?

    Eher beginnt er doch Stimmung zu machen dafür, dass das UNMÖGLICH ist.

  • W
    Weinberg

    Frau Schwabedissen hat die Wahl in NRW soeben vergeigt – und jetzt soll sie die Linkspartei nach vorne bringen? Wer glaubt hier an eine wundersame Wählerstimmenvermehrung?

     

    Frau Kipping propagiert das bedingungslose Grundeinkommen, eine reale volkswirtschaftliche Erklärung kann sie aber nicht liefern. Frau Kipping sei in das Stammbuch geschrieben, dass es doch etwas mehr Realität bedarf, um die Menschen von einer Idee zu überzeugen.

     

    Beide Damen werden schmerzhaft erkennen müssen, dass man so nicht in den Bundestag kommt. Beide tun im Vorfeld bereits alles dafür, dass die Linkspartei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern wird. Für die beiden medialen Lichtgestalten gilt: Gewogen und für zu leicht befunden!

     

    Ich gehe davon aus, dass sich das Kandidatenkarussell (zur Freude von TAZ u. Co.) in den nächsten Tagen immer schneller drehen wird. Dabei wird wohl der/die eine oder andere Hinterzimmer-Funktionär/in die rasante Fahrt nicht überstehen.

     

    Arme Linkspartei: Mit Lafontaine 2005 als Tiger gestartet – und jetzt wird mit Nobodies als Bettvorlegern gelandet!

  • IJ
    Ingbert Jüdt

    Also ich als Badner halte Schwaben dissen ja für eine Tugend! Aber ist das wirklich "links"?