Kommentar Linke ohne Lafontaine: Ein herber Verlust
Es wird der Linken schwer fallen, Lafontaines Ausstieg zu kompensieren. Egal, wie die neuen Chefs heißen, sie können sich darauf einstellen, für zu leicht befunden zu werden.
O skar Lafontaine meint seinen Rücktritt ernst. Er wird zwar in Zukunft auch von Saarbrücken aus dazwischenfunken, wenn ihm in der Linkspartei etwas nicht passt. Aber er wird nicht zum Joschka Fischer der Linkspartei werden - dem konnte es bekanntlich egal sein, wer unter ihm Grünen-Chef war. Doch um in der Linkspartei die Rolle des heimlichen Vorsitzenden zu spielen, muss man vor Ort sein. Saarbrücken ist weit weg von Berlin.
Stefan Reinecke ist Parlamentskorrespondent der taz, er beschäftigt sich vor allem mit der Linkspartei und der SPD.
Für die Linkspartei ist dieser Rückzug natürlich ein herber Verlust, die Wahlergebnisse werden im Westen schmaler ausfallen. Es gibt niemand, der Lafontaine das Wasser reichen kann. Egal, ob die neuen Chefs künftig Klaus Ernst, Petra Pau oder Gesine Lötzsch heißen - sie können sich schon mal darauf einstellen, für zu leicht befunden zu werden.
Ohne Lafontaine besteht die Gefahr, dass die Linkspartei im Westen wackelt. Dort ist sie stellenweise noch fragil und anfällig für sektiererische Scharmützel. Zwischen Kiel und München stehen ihr, wie jeder jungen Organisation, ohnehin noch Häutungen bevor. Diese werden, ohne Lafontaines autoritäre Vernunft, wohl heftiger und wirrer ausfallen.
Klar ist aber auch: Die SPD freut sich mal wieder zu früh. Lafontaines Rückzug wird das Klima zwischen den Parteien vielleicht ein bisschen aufhellen - mehr nicht. Dass nur Lafontaine der Annäherung zwischen Linkspartei und SPD im Weg stand, war schon immer eine Legende - es überschätzt das Persönliche in der Politik und unterschätzt, wie stabil die Linkspartei ist.
Hannelore Kraft, SPD-Chefin in NRW, hofft jetzt auf die Rückkehr von Exsozialdemokraten in den Schoß der SPD. Das zeigt, dass die SPD noch immer der Fantasie anhängt, die Linkspartei spalten zu können. Dazu wird es nicht kommen. Es wird auch keine Vereinigung zu ihren Konditionen geben. Das Schisma ist seit der Agenda 2010 kaum überbrückbar. Lafontaine hat diese Spaltung nicht erfunden.
Dass SPD-Chef Gabriel mal eben im Vorbeigehen die Linkspartei in NRW pauschal zu regierungsuntauglichen Chaoten abstempelt, zeigt, wie hartnäckig die Unfähigkeit der SPD ist, aus Fehlern zu lernen. Es müsste - mit oder ohne Lafontaine - darum gehen, eine rationale Arbeitsteilung zwischen SPD und Linkspartei zu entwickeln. Die wird es erst geben, wenn sich die SPD von der Illusion löst, dass die Linkspartei ein Intermezzo und historisches Irrlicht ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe