Kommentar "Licht aus": Willkommen im Mainstream!
Die Umweltbewegung ist an ihrem Ziel angelangt - und hat sich die Zügel aus der Hand nehmen lassen: Nun tobt die verbalradikale Klimaschutz-Kirmes von Bild & Co.
W enn sich die Deutschen eines Themas annehmen, dann richtig. Eine beeindruckende Koalition von Bild, Pro7 und Google und den Umweltverbänden WWF, Greenpeace und BUND forderte uns auf, am Samstagabend für fünf Minuten das Licht auszuschalten. Kommunen, Unternehmen und Prominente wollten sich in so großer Zahl beteiligen, dass die Energieversorger rätselten, ob es ihnen gelingen würde, die Stromnetze während der symbolischen Abschaltung stabil zu halten.
MATTHIAS URBACH (40) ist Leiter von taz.de und analysiert seit 11 Jahren die Umweltpolitik für die taz.
Willkommen im Mainstream! Wie viele Jahre hat die Umweltbewegung dafür gekämpft? Nun ist sie am Ziel - und weiß nichts mit ihrem Triumph anzufangen. Denn was, bitte schön, soll diese Aktion bringen? Wogegen richtet sie sich? Seit sieben Monaten kooperieren die drei Umweltverbände mit Bild, Höhepunkt ist nun die Aktion "Licht aus". Und obwohl die Bild-Zeitung jetzt so richtig schön grün daherkommt - die Umweltverbände dürfen in Bild nicht für ihre Überzeugungen werben. Politische Kommentare sind tabu. Die Kooperation beschränkt sich auf Energiespartipps von WWF & Co.
Die wirklich harten Fragen werden von Bild und Pro7 kaum thematisiert. Wie weiter mit der Ökosteuer? Wie kommen wir los von der Kohlekraft? Wie wechselt man zu Ökostromanbietern? Sie spielen auch bei der "Licht aus"-Kampagne keine Rolle. Kein Wunder, dass ein tiefer Riss durch die Ökobewegung geht: Nabu, Robin Wood und selbst die Jugendorganisation des BUND machen mit bei der Gegenkampagne "Licht an", die auch die taz unterstützt. Weil das Thema komplexer ist. Und weil es um Machtfragen geht.
Im Ergebnis hat es die große Koalition jetzt noch leichter, mit ihrem bloß verbalradikalen Klimaschutz zu punkten. Und Bild, Google und Co. können sich zum Nulltarif als tolle Klimaretter darstellen. An diesem Aktionstag wird klar, wie fahrlässig es von WWF, Greenpeace und BUND war, mit Bild zu paktieren. Weil sie die Deutungshoheit aus der Hand gegeben haben und weil sie aus einem handfesten Interessenkonflikt eine bunte Kirmes gemacht haben. Das geschieht ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo Klimaschutz endlich massenkompatibel ist und man die Blockierer vor sich hertreiben könnte - und müsste.
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