Kommentar Libyen-Sanktionen: Starke Worte, schwache Taten
Viel geredet, nichts beschlossen: UNO, Nato und EU tun sich schwer mit Libyen-Sanktionen. Zu stark bestimmen noch die eigenen ökonomischen Interessen die westliche Politik.
V iel hektische Diplomatie, starke Worte - aber bislang kaum konkretes Handeln: Die Beratungen von Menschenrechtsrat und Sicherheitsrat der UNO sowie der Verteidigungsminister von EU und Nato am Freitag haben bislang keine konkreten Ergebnisse erbracht, die der vom Gaddafi-Regime schwer bedrängten libyschen Zivilbevölkerung Hoffnung auf baldige Verbesserung ihrer Lage machen könnten.
Noch immer ist keine der dringend erforderlichen Maßnahmen, über die bereits seit Beginn der Gewaltexzesse vor zehn Tagen diskutiert wird, umgesetzt. Weder ein Reiseverbot für die Mitglieder des Gaddafi-Regimes und seines Familienclans noch die Sperrung ihrer milliardenschweren Auslandskonten, noch die effektive Unterbindung weiterer Waffenlieferungen an Libyen.
Auch haben die EU-Staaten und die USA ihre Ölkäufe in Libyen bislang nicht eingestellt, ja noch nicht einmal reduziert und spülen damit weiterhin Geld in die libyschen Staatskassen. Dabei wären all diese Maßnahmen überhaupt nicht abhängig von gemeinsamen Beschlüssen von EU oder Nato.
Jedes einzelne Mitgliedsland dieser beiden westlichen Institutionen könnte sie in eigener nationaler Regie beschließen und umsetzen. So wie es die Schweiz - hier ausnahmsweise einmal in der Rolle des positiven Vorreiters - mit der Sperrung der libyschen Auslandskonten gezeigt hat.
Und auch in den globalen Gremien der UNO, in denen über Verurteilungen des Regimes, über die Ermächtigung des Internationalen Strafgerichtshofs zu einem Verfahren wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen oder über die Einrichtung einer Flugverbotszone zu entscheiden wäre, sind es einmal nicht die üblichen Verdächtigen wie Kuba, Iran, Venezuela, Pakistan, Russland oder China, an denen Beschlüsse zur effektiven Ausübung von Druck auf das Gaddafi-Regime und zum Schutz der libyschen Bevölkerung scheitern, sondern die Blockaden und Hinhaltemanöver westlicher Mitgliedstaaten.
Konkret handeln die EU-Staaten und die USA bislang lediglich bei der Evakuierung der eigenen StaatsbürgerInnen aus Libyen. Ansonsten beherrschen im Wesentlichen weiterhin die Interessen die westliche Politik, die in den letzten Jahrzehnten die diktatorischen Regime in den arabischen und nordafrikanischen Staaten am Leben erhalten haben. In Libyen zeigt sich das nur noch krasser als zuvor in Ägypten und Tunesien.
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