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Kommentar LehrermangelMehr Fachkräfte zu Bildungsministern!

Kommentar von Christian Füller

Bildungsministerin Annette Schavan will Topmitarbeiter von Unternehmen in die Schulen abkommandieren. Damit stößt sie die Lehrer jedoch vor den Kopf.

F ür die Lehrer war das kein lustiges Wochenende. Eine Zeitung wartete mit einer Meldung auf, die in der Pisa-geplagten Nation immer zieht: Nur die schlechtesten Abiturienten würden sich fürs Lehrerstudium einschreiben, hieß es da. Die Hälfte der 800.000 Lehrer geht in Ruhestand und es kommen nur Idioten nach - so in etwa lautete die vergiftete Botschaft dieser Zeitungsgeschichte. Und dann hielt man den Eltern auch noch unter die Nase, dass jetzt schon viel zu viele Lehrer fehlten, um deren Kinder schlau zu machen.

Bild: privat

Christian Füller ist Bildungsredakteur der taz.

Tatsache ist: bundesweit fehlen derzeit rund 20.000 Lehrer, Nachwuchs wird dringend gesucht. Und: Gymnasiallehrer weisen einen Abischnitt von 2,5 auf - das ist, mit Verlaub, kein Depperlzeugnis. Wer sagt denn, dass aus Zweier-Abiturienten schlechte Pädagogen werden? Außerdem können die Pauker nichts dafür, dass es den Kultusministern seit acht Jahren nicht gelingt, die Ausbildung der Pädagogen zu reformieren. Das Studium ist derart chaotisch organisiert, dass die Minister nicht einmal wissen, wie viele Lehrer demnächst auf den Markt kommen.

Der Rohstoff Wissen wird gern als der einzige hingestellt, den das Land habe. Aber es werden nicht genug ausgebildet und eingestellt, die ihn schürfen können. Deswegen hat Bildungsministerin Schavan jetzt gefordert, dass nun auch andere als nur ausgebildete Lehrer in die Schulen müssten: Ingenieure, Manager, Naturwissenschaftler nämlich. Recht hat Annette Schavan insofern, als dass die sogenannten Dritten in vielen Schulen schon Gutes bewirkt haben, indem sie der Wirklichkeit Eintritt verschafften. Dennoch war der Zeitpunkt für den Vorschlag unglücklich. Denn, erstens, bestärkt es die echten Lehrer in ihrer Verzweiflung, wenn man so laut sagt: Die von draußen sind spannender als ihr! Und zweitens entwertet es den Lehrerberuf, wenn man pädagogisch vollkommen unbeleckte Quereinsteiger als letzte Reserve abkommandiert.

Es sind also die Bildungsminister selbst, die den Berufsstand des Lehrers ruinieren. Da ist es nicht klug, wenn man die einzigen Profis fürs Lernen, die es gibt, auch noch mit unbedachten Vorschlägen vor den Kopf stößt.

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3 Kommentare

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  • B
    BigKelle

    michaelbolz: Recht haben Sie...

     

    Mir drängt sich der Verdacht auf, dass es politisch gewollt ist, dass "Volk zu verdummen".

    Fakt ist: die Regierung will kein zukunftsträchtiges Bildungssystem etablieren, dabei bräuchten "Sie" nur die Augen aufmachen und in Richtung Norden schauen.

    Die skandinavischen Länder/Regierungen haben es vor vielen Jahren angepackt und geschafft, dass Bildungssystem zu reformieren. So weit ich weiß, sind diese Länder im Schülervergleich Weltspitze.

    Und was macht unsere Regierung?

    labern labern labern = nichts! ich korrigiere: Milliarden in ein "Sinkens Schiff" stecken,

     

    echt toll...

  • A
    Antje

    In der öffentlichen Anhörung am 9.02.2009 im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Bundestag zum Thema „Zweiter Nationaler Bildungsbericht“ hat die Vorstizende des Ausschusses, Frau Ulla Burchardt (SPD) der Zuhörerschaft mitgeteilt, dass auch sie der Ansicht ist, dass LehrerInnen eine pädagogische und didaktische Ausbildung mitbringen müssen. Der Lehrerberuf dürfe nicht entprofessionalisiert werden.

    Frau Schavan war bei dieser Anhörung leider nicht anwesend, schade, sonst hätte sie sich von allen anwesenden Sachverständigen und ihren KoalitionskollegInnen erläutern lassen können, was es bedeuten (kann) Menschen unterrichten zu lassen, die nicht gelernt haben, wie Wissen vermittelt werden sollte.

    Nun ja aber wenn die Fachkräfte nun alle Kurzarbeit machen dürfen, haben sie ja genug Zeit noch nen bissl Nachhilfe zu geben, was?

    Die Stellungnahmen der Sachverständigen können im Internet nachgelesen werden. Ein öffentliches Protokoll zu dieser öffentlichen Anhörung lässt sich bisher leider nicht finden.

  • M
    michaelbolz

    Die derb geführte Oberflächenanalyse zeugt in alle Richtungen von Einseitigkeit. Anstatt sich auf die gelieferte Vorlage insofern zu beziehen: Die Einbindung Dritter in die Schullandschaft als positives Signal zu werten und eine Bildungs-Zusammenarbeit zu entwickeln, wird überall nur scheinhermeneutisch gebremst und sich über die jeweiligen Befindlichkeiten anderer mokiert.

     

    So sieht es aber aus: Wer sich die pädagogisch-didaktisch-humanitär abschließende Ausbildung der kommenden Lehrergeneration vor Ort, an den Universitäten selbst ansieht, kommt vielmehr zu einem ganz anderen Urteil. Es werden tatsächlich überwiegend Nebelwerfer auf die Schulen losgelassen.

     

    Das liegt an verschiedenen Dingen: Dem Bologna-Prozess etwa, mit all seinen vorhersehbaren Übeln radikalisiert die Qualität eines Studiums in Hinblick auf soziale, kulturelle, bildungstechnische, wie Kompetenzen einer grundlegenen Fähigkeit in Bezug auf Selbständigkeit und eines Selbstbewusstseins angehender "Fachkräfte" - in aller Vielschichtigkeit - in einen finstern Keller ohne Boden.

     

    Es gibt nachvollziehbar verschiedene Gründe, Lehrer werden zu wollen: 1. Rachsucht, 2. Sicherheitsdenken, 3. Idealismus, 4. vermeintliche Alternativlosigkeit, 5. Traditionsdenken.

     

    Das wollen Lehrer sein?

     

    Idealist ist noch die harmloseste Lehrer-Variante, doch leider nicht genug. Wer nicht begreift, trotz neuer pädagogischer, historischer und sozilogischer Konzepte und Überlegungen nicht begreift, dass ein Lehrer über sein Wissen und seine Anleitung nichts als ein Begleiter in die Individualität seiner Schützlinge ist, hat als Lehrer von vornherein versagt, wenigstens einen schlechten Stand.

    Die Fähigkeit, derart zu reflektieren, findet sich in der Praxis kaum bis überhaupt nicht.

     

    So verkommt die Bildungslandschaft zu einem Selbstexperiment im Schul-Schaukasten der Gesellschaft, wobei hierbei - darüber muss ergänzend nachgedacht werden - die Systemfehler völlig unbeachtet bleiben.

     

    Insofern ist Bildung und sind Bildungsversuche unter diesen Umständen kaum mehr, als hilreich sinnloses Herumzappeln, Diskussionen, wie die oben genannte und angestoßene nichts weiter, als ein weiterer Hinweis auf die eigenen, ganz egoistischen Befindlichkeiten und die Unfähigkeit, etwas zu verändern.

     

    Wenig konstruktiv.