Kommentar Lehrer & Bildungspaket: Eine echte Verschlimmbesserung
Das Bildungspaket soll Knder armer Eltern fördern. Herausgekommen ist ein bürokratisches Monstrum, das Lehrern die Zeit stiehlt.
L ehrer jammern viel, heißt es gern - aber manchmal jammern sie durchaus mit Recht. Was ihnen bei der Umsetzung des Bildungspakets an bürokratischer Arbeit zugemutet wird, ist nicht nur im Umfang zu viel. Es entspricht auch keineswegs den Aufgaben von Lehrkräften, ihre knapp bemessene Arbeitszeit jenseits des Unterrichts in Antrags- und Abrechnungsverfahren für einzelne Schüler mit diversen Behörden und Nachhilfeschulen zu stecken.
Es ist sogar eine Frechheit, ihnen das zuzumuten. Nicht, weil Lehrkräfte sich nur ums Unterrichten kümmern sollen. Je mehr sie ihre Schüler auch abseits des Fachlichen kennenlernen, umso besser.
Doch Lehrer brauchen Zeit dafür, Zeit, die Lebenswelt ihrer Schüler, ihre Probleme, vielleicht sogar ihre Familien kennenzulernen und so eine Beziehung aufzubauen, die gutes Lernen ermöglicht. Für die Finanzen der Familien sind sie aber nicht zuständig.
Mit dem Bildungspaket werden Eltern nun gezwungen, sich vor den Lehrern ihrer Kinder ökonomisch nackt auszuziehen. Die Lehrer wiederum müssen lästige Bürokratie erledigen, wo andere Aufgaben wichtiger wären. Das sollen dann Nachhilfelehrer ausbügeln. Pädagogisch falsch, sagen Lehrer. Ein bürokratisches Monstrum, sagt selbst die Schulverwaltung.
Geboren ist das Monstrum aus Geringschätzung: Geringschätzung der Eltern, denen Politik nicht zutraut, selbst verantwortlich für ihre Kinder zu handeln. Geringschätzung der Lehrer, die man zu Nachhilfevermittlern degradiert. Bleibt abzuwarten, ob das zu etwas Gutem führt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin