Kommentar Ladenschluss an Heiligabend: Boykott als Statement
Der Heiligabend fällt dieses Jahr auf einen Sonntag. Die Gewerkschaft Verdi ruft zum Einkaufsverzicht auf. Am besten kauft man das Nötigste vorher.

Der Solidarität halber: Keine Hamsterkäufe an Heiligabend Foto: dpa
Der 24. Dezember ermöglicht normalerweise einen Erlebniseinkauf der besonderen Art: Herumgeschubse in den Geschäften, eine lange Warteschlange an der Kasse kurz vor 14 Uhr. Weil man ja das Brot und den Salat frisch haben will und überhaupt irgendwas immer noch fehlt, vielleicht die Clementinen oder die Vanillesoße. Und weil man vielleicht beim Last-Minute-Trubel auch noch etwas Öffentlichkeit genießen will, bevor es hineingeht in die lange Weihnachtsprivatheit.
Diesmal wird es anders sein: Der Heiligabend fällt auf einen Sonntag. Die Geschäfte könnten in den meisten Bundesländern zwar an diesem Sonntag ausnahmsweise bis 14 Uhr öffnen – aber die Gewerkschaft Verdi hat dies bereits als „zynisch“ bezeichnet und aus Rücksicht auf die Beschäftigten zum Einkaufsverzicht aufgerufen.
Der Discounter Aldi und einige andere Ketten wollen nicht öffnen, in seltener Einigkeit mit Verdi. Man denke dabei an die Mitarbeiterinnen, „die in Ruhe das Weihnachtsfest begehen sollen“, so der Aldi-Konzern.
So ganz selbstlos sind die Discounter nicht. Denn am Sonntag werden Lohnzuschläge fällig, weswegen sich auch meist bereitwillige KassiererInnen für Sonntagsschichten finden. Oft sind es Minijobber, Schüler, Studenten. Verdi hat recht mit der Warnung vor Sonntagsarbeit, denn damit werden Vollzeitjobs weiter in Nebenverdienste zerlegt, die nicht zum Leben reichen.
Der 24. wird solcherart zu einem Tag des persönlichen Statements. Gar nicht so einfach. Sollen wir als Boykotteure lässig an den geöffneten Ladentüren mancher Supermärkte vorbeischlendern? Aber was, wenn es sich um den türkischen Einkaufsmarkt handelt, dessen mithelfende Familienangehörige sich eh nicht so kümmern ums Christfest?
Die Lösung: Wir kaufen alles Nötige vor dem Sonntag ein, haben ja schließlich sechs Tage dafür Zeit – und so viel Solidarität mit den Verkäuferinnen muss sein. Der Rest ist dann freie Entscheidung. Für all jene, die sich ohne Kassenschlange einsam fühlen.
Kommentar Ladenschluss an Heiligabend: Boykott als Statement
Der Heiligabend fällt dieses Jahr auf einen Sonntag. Die Gewerkschaft Verdi ruft zum Einkaufsverzicht auf. Am besten kauft man das Nötigste vorher.
Der Solidarität halber: Keine Hamsterkäufe an Heiligabend Foto: dpa
Der 24. Dezember ermöglicht normalerweise einen Erlebniseinkauf der besonderen Art: Herumgeschubse in den Geschäften, eine lange Warteschlange an der Kasse kurz vor 14 Uhr. Weil man ja das Brot und den Salat frisch haben will und überhaupt irgendwas immer noch fehlt, vielleicht die Clementinen oder die Vanillesoße. Und weil man vielleicht beim Last-Minute-Trubel auch noch etwas Öffentlichkeit genießen will, bevor es hineingeht in die lange Weihnachtsprivatheit.
Diesmal wird es anders sein: Der Heiligabend fällt auf einen Sonntag. Die Geschäfte könnten in den meisten Bundesländern zwar an diesem Sonntag ausnahmsweise bis 14 Uhr öffnen – aber die Gewerkschaft Verdi hat dies bereits als „zynisch“ bezeichnet und aus Rücksicht auf die Beschäftigten zum Einkaufsverzicht aufgerufen.
Der Discounter Aldi und einige andere Ketten wollen nicht öffnen, in seltener Einigkeit mit Verdi. Man denke dabei an die Mitarbeiterinnen, „die in Ruhe das Weihnachtsfest begehen sollen“, so der Aldi-Konzern.
So ganz selbstlos sind die Discounter nicht. Denn am Sonntag werden Lohnzuschläge fällig, weswegen sich auch meist bereitwillige KassiererInnen für Sonntagsschichten finden. Oft sind es Minijobber, Schüler, Studenten. Verdi hat recht mit der Warnung vor Sonntagsarbeit, denn damit werden Vollzeitjobs weiter in Nebenverdienste zerlegt, die nicht zum Leben reichen.
Der 24. wird solcherart zu einem Tag des persönlichen Statements. Gar nicht so einfach. Sollen wir als Boykotteure lässig an den geöffneten Ladentüren mancher Supermärkte vorbeischlendern? Aber was, wenn es sich um den türkischen Einkaufsmarkt handelt, dessen mithelfende Familienangehörige sich eh nicht so kümmern ums Christfest?
Die Lösung: Wir kaufen alles Nötige vor dem Sonntag ein, haben ja schließlich sechs Tage dafür Zeit – und so viel Solidarität mit den Verkäuferinnen muss sein. Der Rest ist dann freie Entscheidung. Für all jene, die sich ohne Kassenschlange einsam fühlen.
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Kommentar von
Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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