Kommentar Kurdenpartei-Verbot: Gescheiterter Friedensprozess
In wenigen Monaten haben die Hardliner auf beiden Seiten die Fronten zwischen PKK und der türkischen Regierung wieder zementiert.Das DTP-Verbot setzt nur den Schlusspunkt.
Vor nur drei Monaten schienen alle relevanten Kräfte in der Türkei entschlossen, endlich eine politische Lösung für die kurdische Minderheit anzustreben. Die Regierung von Ministerpräsident Tayyip Erdogan war bestrebt, auch dem größten Teil der PKK-Guerilla ein Angebot zur Reintegration zu machen. Das Militär protestierte nicht, und die kurdische DTP war begeistert, dass die Regierung endlich mit ihr redete. Die Türkei war dabei, einen Quantensprung in Sachen Demokratie zu machen.
Doch dieser Anlauf zum Frieden ist heute schon wieder Geschichte. Das Verbot der DTP durch das Verfassungsgericht letzten Freitag war nur der Schlusspunkt einer Entwicklung, die beispielhaft dafür ist, wie hartnäckige Friedensverweigerer jede Verständigung torpedieren können.
Jürgen Gottschlich ist Türkei-Korrespondent der taz.
Da ist zum einen der nationalistische Block innerhalb und außerhalb des Parlaments, der sofort "Verrat!" schrie und die Angehörigen der im Kampf gegen die PKK gefallenen Soldaten mobilisierte. Auf der anderen Seite steht die PKK. Der Dialog scheiterte auch, weil der inhaftierte PKK- Chef Abdullah Öcalan darauf bestand, er selbst müsse, zumindest indirekt, von der Regierung als Verhandlungsführer akzeptiert werden - ein Ansinnen, auf das die Regierung bei Strafe des eigenen Untergangs nie eingehen konnte. Weil Erdogan ablehnte, denunzierte Öcalan den Friedensprozess als "Versuch der Liquidation der PKK", der bekämpft werden müsse. Daraufhin geriet die DTP-Führung unter Druck, verschärfte ihre Rhetorik und lieferte dem Staatsanwalt, selbst Teil des nationalistischen Blocks, Material für sein Verbotsverfahren. Als die PKK dann noch unmittelbar nach Prozessbeginn sieben Wehrpflichtige erschoss, war das eigentlich schon das Ende. Das Verbot bestätigte nur noch das Scheitern des Friedensprozesses.
Damit wurde eine mutige Friedensinitiative zerstört und die Versöhnung zwischen Kurden und Türken neuerlich in weite Ferne gerückt.
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