Kommentar Kriegspropaganda: Offensive Frontbegradigung
Der Trauerappell für drei deutsche Soldaten, die von "feigen Mördern" in einen "heimtückischen Hinterhalt" gelockt wurden, ist eine informationspolitische Trendwende.
Natürlich war der militärischen Erwägungen recht aufgeschlossene Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP), selbst Reserveoffizier bei den Fallschirmjägern, nur zufällig vor Ort. Selbstredend konnte er sich bei der Truppe nützlich machen, war in "seinem" für den Heimflug vollgetankten Airbus doch noch genug Platz für die drei Särge der "Gefallenen", wie getötete deutsche Soldaten umgangssprachlich demnächst wohl wieder genannt werden dürfen.
Immerhin waren es hölzerne Särge, drapiert mit der deutschen Flagge, nicht die US-üblichen Plastiksäcke mit Reißverschluss. Also hielt Niebel in Gottes und "im Namen der Bundesregierung" vor Ort eine kurze Rede "an die Adresse der feigen Mörder" und auch sonst die Hände stramm an der Hosennaht. Und so passte Niebels offiziöser Auftritt rein zufällig perfekt in das dunkelromantische Theater des militärischen Trauerappells, mit dessen ungewöhnlich ausführlicher medialer Präsentation für ein neues Bild der Bundeswehr in "der Heimat" geworben werden soll - während daheim der Verteidigungsminister wieder einmal von "Krieg" spricht, wo zuvor nur verdruckst von einem "Stabilisierungseinsatz" oder einem "bewaffneten Konflikt" die Rede war. Da tut sich was. Aber was?
In einem Papier zur Sicherheitspolitik konstatiert sich die Bundeswehr zwar selbst eine "breite Unterstützung" der Bevölkerung. Aber: "Dagegen nimmt die Zustimmung für konkrete Kampfeinsätze deutlich ab. In einigen Bevölkerungsgruppen gibt es erkennbare Vorbehalte für den offensiven Gebrauch militärischer Mittel. Durch pro-aktive Kommunikation sollte die Bundeswehr diese Bedenken zerstreuen." Seltsam nur und fast schon rührend, dass diese "pro-aktive Kommunikation" dann doch nur den Blick auf hilflose militärische Rituale mit ihrem "weihevollen Ernst" lenkt, posthume Ordensverleihung inklusive. Wir erfahren, dass die Spürpanzer "Fuchs" heißen und mit den Leichen gravitätisch "langsam" auf den Platz fahren, dass die Särge hübsch geschmückt sind, der Trompeter "Ich hatt einen Kameraden" spielte, ein paar Soldaten den schwarzen Stoff für ihren Trauerflor erst in der Stadt einkaufen mussten und allerlei verstörenden Quatsch mehr.
Die beim "heimtückischen Hinterhalt" von deutschen Soldaten getöteten afghanischen "Hilfskräfte" werden in Nebensätzen beerdigt. Schließlich geht es hier um die Deutschen und ihre Trauer, wie die Bild-Zeitung im bewährten Stil eines Landser-Heftchens unterstreicht: "Als die Maschinen abheben, grüßen die Fallschirmjäger ein letztes Mal militärisch ihre toten Kameraden. Als die schweren CH-53-Helikopter am Horizont verschwinden, lassen einige ihren Tränen freien Lauf, liegen sich in den Armen, suchen nach Trost."
Vielleicht suchen "einige" ja auch nach Erklärungen, für die in der "proaktiven Kommunikation" kein Platz ist. Der geht für wohlfeile Lügen drauf, wie sie der Kommandeur vom Stapel lässt: "Unsere drei gefallenen Kameraden haben sich für ihren Einsatz in Afghanistan entschieden, um einen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes zu leisten." Wirklich? Um einen Beitrag zum Wiederaufbau? Nicht um steuerfreie Risikozuschläge auf den Sold? Oder wenigstens ein bisschen Abenteuer? Wäre ja nichts Schlimmes und würde weiterhelfen in einer echten Debatte über Sinn, Unsinn, Ziele und Möglichkeiten dieses Einsatzes. Anstelle dieser Debatte aber erleben wir nur ihr Gegenteil, ein ebenso massives wie dümmliches Werben um Anteilnahme und Ehrerbietung. Wahrscheinlich sind die drei Soldaten ja dafür gestorben: Propaganda.
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