piwik no script img

Kommentar KrankenhauspolitikNetter Versuch

Heike Haarhoff
Kommentar von Heike Haarhoff

Zweibettzimmer als Standard in Krankenhäusern ist ein richtiger Vorstoß - aber unrealistisch. Rösler versäumt es, die Kliniken zu mehr Wettbewerb zu zwingen.

W er je neben drei anderen frisch Operierten eine Nacht im Krankenzimmer verbringen musste, der weiß: Gesund werden geht anders. Insofern ist die Forderung nach Zweibettzimmern als Standard richtig. Und sie ist unrealistisch. Das weiß der Bundesgesundheitsminister und macht sie sich trotzdem zu eigen. Es ist ja die nachrichtenarme Zeit und die eigene Partei sackt in den Umfragen auf 3 Prozent.

Außerdem fehlt dem Bundesminister schlicht die Kompetenz, auf Zimmerausstattung und Bettenzahlen Einfluss zu nehmen. Krankenhausplanung ist Ländersache. Und von diesem Detail abgesehen: Die bisherige Gesundheitspolitik Röslers hat die Zwei-Klassen-Medizin auf Kosten der gesetzlich Versicherten rigoros und planvoll verschärft. Wer sollte ihm abnehmen, das Wohl der Patienten wäre sein Anliegen?

Bleibt die Frage, ob die Kliniken den Vorstoß des Ministers aufgreifen wollen, um damit die Länder unter Druck zu setzen. Doch nein, das wollen sie nicht. Denn würden Zweibettzimmer zum Standard der gesetzlichen Krankenversicherung, dann könnte sie diese nicht mehr wie bisher als Extraleistung abrechnen - eine wichtige Einnahmequelle bräche weg.

taz

Heike Haarhoff ist taz-Redakteurin im Ressort Innenpolitik.

Zwar steht in deutschen Krankenhäusern jedes vierte bis fünfte Bett leer - doch warum daran etwas ändern, solange die Überkapazitäten von den Versicherten finanziert werden?

Diesen Missstand zu beheben wiederum fiele zum Teil in die Kompetenz des Bundesgesundheitsministers. Doch anstatt hier initiativ zu werden und die Krankenhäuser zu mehr Wettbewerb zu zwingen, bleibt Rösler passiv - wissend, dass es nichts Unpopuläreres gibt, als sich mit Kliniken, deren Chefärzten und regionaler Lobby anzulegen. Im Zweifel bleiben dabei nicht bloß einzelne Krankenhäuser auf der Strecke.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Heike Haarhoff
Redakteurin im Inlands- und im Rechercheressort
Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • M
    Momo

    Nun, wo der gesetzliche Arbeitgeberbeitrag für die Krankenversicherung eingefroren wurde und die Arbeitnehmer die daraus resultierenden Zusatzkosten alleine Tragen müssen, kommt Schwarz-Gelb mit sowas um die Ecke! Wenn sich die Arbeitgeber an den daraus resultierenden Zusatzkosten paritätisch beteiligen müssen, dann wäre dieser Vorschlag von Schwarz-Gelb nie gemacht worden. Damit entpuppt sich das schwarz-gelbe "Geschenk" an die gesetzlich Vericherten als reine Propandamaßnahme, die von den "Beschenkten" bezahlt werden müsste.

    Und daß ausgerechnet die FDP diese Forderung damit begründet, daß Drei- oder Vierbettzimmer angeblich ein Relikt aus der "Klassengesellschaft" sei, schlägt dem Fass den Boden aus. Tut doch insbesondere die FDP ansonsten alles, um die Klassengesellschaft wieder herzustellen.

    PS: Mich als gesetzlich Versicherten stören Dreibettzimmer im Krankenhaus nicht.

  • S
    Steffi

    Nun, die jetzige Opposiotion hat mit der Bürgerversicherung Wahlkampf gemacht, die jetzige Regierung mit der Kopfpauschale.

    Man sieht ja, womit man bei den Wähler punkten kann.

  • V
    vic

    Dieses Wahlvolk fällt doch immer wieder drarauf rein.

  • B
    Bitbändiger

    Bravo, Frau Haarhoff.