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Kommentar KopfpauschaleMerkels Wahlkampflüge

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Noch kurz vor der Wahl stritt Bundeskanzerlin Merkel ab, eine Kopfpauschale für Krankenkassen einführen zu wollen. Jetzt kommt sie doch.

Z u Beginn ihrer Koalitionsverhandlungen ließen sich Union und FDP noch feiern für die - billig zu habende - Anhebung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger. Am Ende steht ein kaum noch erwarteter sozialer Einschnitt: die Einführung der Kopfpauschale im Gesundheitswesen.

Die künftige Koalition bestätigt damit die Befürchtungen, die sie so lange zu zerstreuen suchte. Schwarz-Gelb belastet Menschen mit geringem Einkommen und entlastet Unternehmen und Gutverdiener. Das ist sozialpolitisch falsch und klassische, dreiste Klientelpolitik. Ab 2011 sollen die gesetzlichen Krankenversicherungen eine vom Einkommen unabhängige Pauschale von ihren Mitgliedern erheben dürfen. Das Wort Kopfpauschale wird dabei allerdings bewusst vermieden.

Denn dieses Unions-Vorhaben trug vor vier Jahren zum Beinahe-Scheitern der Kanzlerkandidatin Merkel bei. Zu ungerecht fanden selbst Sympathisanten, dass eine Krankenschwester für Gesundheit genauso viel Geld zahlen sollte wie ein Manager. Im neuen Wahlprogramm tauchte die Kopfpauschale deshalb nicht mehr auf, und noch eine Woche vor der Wahl stritt die Kanzlerin ab, sie einführen zu wollen.

Nun kommt sie doch. Deutlicher hätte Merkel nicht zeigen können: Ihre Behauptung vom Wahlabend, sie wolle "Bundeskanzlerin aller Deutschen" sein, war vor allem eine machttaktische Geste.

Keine Regierung käme darum herum, den Kassenmitgliedern Teile der wachsenden Gesundheitskosten aufzubürden. Aber Schwarz-Gelb lässt es dabei bewenden, anstatt sich beispielsweise vorzunehmen, die teilweise überteuerten Arzneipreise besser zu prüfen. Gleichzeitig schützt die Koalition Ärzte und Apotheker vor ebenjenem Wettbewerb, der ihr angeblich so wichtig ist. Auch für diese Privilegien müssen Beitrags- und Steuerzahler aufkommen.

Erst die Pflichtpauschale bei der Pflege, nun die Kopfpauschale: Die zweite Regierung Merkel ähnelt in der Sozialpolitik immer mehr dem CDU-FDP-Wahlkampfgespann von 2005.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
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12 Kommentare

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  • G
    Gerechtigkeitsfanatiker

    Ich frage mich ob die Verteufelung einer Kopfpauschale nicht entschieden zu weit geht. Anstatt diesen sinnvollen Ansatz offen zu diskutieren, werden wüste Beleidigungen und die bekannten populistischen Schreckgespentargumente aus der Mottenkiste geholt.

     

    Jedem ist ersichtlich warum die Renten- und die Arbeitslosenversicherung an das Einkommen gekoppelt ist. Aus dem einfachen Grund weil auch die Leistungen an das EInkommen gekoppelt sind.

     

    Bei der Kranken- und Pflegeversicherung ist dies nicht der Fall. Das bestehende System ist doch die Ungerechtigkeit und nicht eine Alternative.

     

    Es gibt einige wichtige Versicherungen. Kfz-Haftpflichtversicherung, Privathaftpflichtversicherung, Hausratsversicherung. Und bei all diesen ist der Beitrag unabhängig vom Einkommen. Genau das gleiche System sollte bei der Krankenversicherung auch gelten. Jedes Argument was dagegen spricht ist doch höchstens aus einer ideologisch/populistischen Perspektive nachvollziehbar.

     

    Wenn manche meinen die "Reichen" kämen dann zu gut weg, dann soll man eben die Einkommensteuer erhöhen, aber die Umverteilung muss doch raus aus der Versicherung.

     

    Erst wenn "jeder" Versicherte 200 EUR im Monat für die Krankenversicherung bezahlen muss wird den Menschen der Wert des Gesundheitssystems doch bewusst.

     

    Sozial ist es doch schon, dass jeder den selben Beitrag bezahlen muss und nicht der übergewichtige Raucher mehr als der gesund lebende sportliche Nichtraucher.

     

    Noch nie ging es den Menschen und vor allem der Unterschicht in Deutschland so gut wie heute.

    Finanziert von der Allgemeinheit.

     

    Der Ausdruck "Blutegel im Fleisch der Armen" ist doch so aberwitzig, dass dieses Argument kein Mensch ernst nehmen kann!!

  • M
    Mariposa

    Hier gibt´s endlich mal wohltuende und sachlichere Beiträge zum fleischgewordenen schwarz-gelb Grauen. Die BLÖD-Zeitung und Konsorten hofieren ihre Lieblinge Angie & Guido vollkommen kritiklos, absolut ätzend.

    Positiv aber: Wenigstens diesmal wird die SPD nicht die Prügel abbekommen.

     

    @ Vic

    Zustimmung, was Ypsilanti angeht. Du wurde regelrechte Hexenverfolgung betrieben. Die Schwarz-gelben dürfen dagegen lügen, daß sich die Balken biegen und inhaltlich noch viel schwerwiegender. Zum Bespiel dieses Grinsegesicht Carstensen in Sachen Nordbank. Solche Leute bezeichnen sich noch als "bürgerlich", na vielen Dank....

  • M
    Margrit

    das sit die größte Lügentruppe die je angetreten ist.

    Eine Frau aus dem Osten, gute FDJ-Schulung, wird Deutschland vollends vor die Wand fahren.

    Schon jetzt zahlen die Steuerzahlr vielfach die Löhne, dieser Billig-Arbeitsmarkt (Austocker) wird weiter ausgebaut.

    Betrug in der Wirtschaft wo man hinsieht mit Unterstützung der Merkel-Regierung. Kurzarbeitergeld rhalten Firmen die gestern noch Mrd.-Gewinne eingefahren haben, aber Kurzarbeit wird gar nicht gemacht.

    Aber dem normalen Bürger wird genommen.

    Diese Frau hat es ja bereits geschafft, die Parität im Krankenvers.-Wesen zu beenden und es wird weitergehen. Eine Vers. von Bismarck eingeführt und über Jahrzehnte gut gelaufen, wird von einer FDJ-Geschulten zusammen mit angeblich Liberalen mal eben beendet.

    Und das verdummte Volk schläft, das ist dasd, was mich am meisten entsetzt.

    Und die Mehrheit der Presse schreibt Frau Merkel weiterhin schön

    Ich bin nur noch entsetzt.

  • T
    Tom

    @karljosef: Die halten uns nicht für dumm. Die wissen, dass wir es sind.

  • K
    karljosef

    Für mich stellt sich eigentlich nur folgende Frage:

    Sind die nur scheinheilig oder

    dumm oder

    halten die uns Wähler für so dumm!

     

    Die Mehrheit der Deutschen, von denen die gewählt werden wollen, wird die Folgen dieser asozialen Politik ganz schnell merken.

    Ich spreche nicht vom Schuldenabbau, das wird sich (falls die Währung wider Erwarten nicht kaputt gehen sollte) über Jahrzehnte hinstrecken, ich spreche von den "Lohnnebenkosten" die step by step komplett auf die Arbeitnehmerseite übertragen werden.

    Auf der einen Seite Milliardäre, die sich, wenn man den Anzeigen hier im internet glaubt, für 59€/mon. privat versichern können, auf der anderen Arbeitslose ohne HartzIV, die, wenn sie mehr als 10080€ Vermögen besitzen, über 300€/mon in die gesetzliche Krankenversicherung bezahlen müssen.

     

    Allerdings war vor der Wahl ein Arbeitloser am Fernsehen, der die "Neoliberalen" wählen wollte. Er rechnete sich damit bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt aus.

     

    Die Regierung kann wohl weiterhin mit der Dummheit der Wähler rechnen!(?)

  • I
    Inad

    @ Andreas: aber ich kann immer noch entscheiden wieviel ich für meinen Kaffee ausgebe und wieviel Torte ich mir diesen Monat leiste. Kann man das bei der Krankenversicherung auch???

  • W
    Westberliner

    Jetzt müssen wir den Widerstand mobilisieren, bevor alles Soziale vernichtet wird, wofür im letzten Jahrhundert sogar Menschen ihr Leben gelassen haben.

  • A
    Amos

    Diese Koalition ist ein Blutegel im Fleisch der Armen. Eine Klientel-Partei für die, die am meisten

    schmieren z.B. Banken und Pharma-Industrie. Wer nicht schmiert, der verliert. Aber die Hoffnung stirbt, bekanntlich, zuletzt, Denn wer Wind sät, der wird Sturm ernten. In 4-Jahren regiert die Linke

    mit. Dann ist zwar alles im Arsch, aber besser ein

    Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

  • S
    Stephan

    Die Aufregung ist eigentlich völlig fehl am Platze. Es konnte doch wohl kein selbstständig denkender Mensch annehmen, dass die neoliberalen Ziele beider Parteien jemals ad acta gelegt würden. Machterhalt um jeden Preis zum Wohle der hauchdünnen Oberschicht. Das Dilemma der SPD: einige Bonzen, allen voran Graf Gerhardt vonne Gasanstalt, sie wollten auch ganz oben schwimmen bei den Strippenziehern. Doch die entschieden sich für das gelb-schwarze Marionettenensemble.

     

    Deutschland braucht einen gesellschaftlichen Umsturz um sich von den oligarchen Herrschaftsstrukturen zu befreien.

  • A
    Andreas

    Sooo ungerecht ist es ja nicht. Eher gerecht. Wenn 2 das gleiche kaufen oder konsumieren zahlen sie auch den gleichen Betrag. Im Cafe wird nicht danach gefragt, wer was verdient, sondern wer den Cappucino und wer die Erdbeertorte hatte. Bei der Haftpflichtversicherung geht es auch nicht um Einkommen. Warum dann bei der Krankenversicherung??

  • V
    vic

    Merkel "Bundeskanzlerin aller Deutschen" . Und ich hab schon vom ersten Tag an gesagt: Meine sicher nicht.

    Sie ist eine Betrügerin, und ich kann nicht verstehen, weshalb sich die ganze Republik über Andrea Ypsilanti aufregte, die niemandem Schaden zufügte. Während über Merkels Betrug, der vielen wehtut sich niemand aufregt.

  • S
    schreiber

    Q.E.D. !