Kommentar Kopenhagener Verhaftungen: Selbstgebastelte Kriminelle
Der Polizei in Kopenhagen ging es vor allem darum, Eindruck zu machen und die Proteste zu schwächen. Deshalb auch die vielen Verhaftungen.
E s ist mitnichten eine großzügige Geste. Dass einige der in Kopenhagen inhaftierten Demonstranten kurz vor Weihnachten aus der Haft entlassen wurden, hat vor allem einen Grund: Die Festnahmen haben ihren Zweck bereits erfüllt.
Die Substanz der Vorwürfe ist dünn, ob es je zu Urteilen kommt, ist fraglich. Doch bei der exzessiv hohen Zahl an Festnahmen in Kopenhagen ging es nicht darum, Krawall zu ahnden. Den gab es nämlich so gut wie nicht. Es ging darum, einzuschüchtern und den Protest zu schwächen. Vor allem aber ging es darum, der Öffentlichkeit den Eindruck einer von den Aktivisten ausgehenden Bedrohung zu vermitteln. Und dazu mussten die martialischen Bilder der Massenverhaftungen produziert und Anklagen angekündigt werden.
Das genügt, um die Fiktion der "brutalen Demo-Gewalt" zu plausibilisieren - und den Ruf nach "härterem Durchgreifen" zu befeuern.
Das gilt auch für Deutschland. Man hätte hier die Uhr danach stellen können: Wegen der "extremen" und, natürlich, "zunehmenden" Gewalt müssten dringend schärfere Maßnahmen gegen "Reise-Chaoten" her, forderte postwendend die Polizeigewerkschaft: Einschränkung der Reisefreiheit etwa und Datenbanken für Demonstrierende. Beides gibt es längst.
Stets wird zu Gipfeln das Schengener Abkommen ausgesetzt, immer wieder die Reisefreiheit für politische Aktivisten eingeschränkt. Die Repression ist massiv. Das beweisen auch die langsam bekannt gewordenen Details über die Telefonüberwachung der Klimaaktivisten. Vergehen, mit denen der Staat diesen rechtfertigen könnte, gibt es jedoch kaum. Darum wird der zivile Ungehorsam in die Nähe krimineller Aktionen gerückt. Jenen, denen der Staat nie stark genug sein kann, kommt dies gerade recht.
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