piwik no script img

Kommentar Konservative ProtesteSitzblockade mit Schlips

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Die Demonstrationskultur in Deutschland hat sich geändert. Selbst Konservativen hocken sich inzwischen auf die Straße. Immerhin zeigt das, dass sie in der Defensive sind.

E in Universitätsrektor reißt sich das Hemd vom Leib und stellt sich halb nackt vor die Politiker der Stadt. Sein Hamburger Amtskollege Dieter Lenzen, bekannt für seine neoliberalen Überzeugungen, hockt im Sit-in unter wütenden Studierenden.

Das sind nur zwei Schlüsselbilder eines Protests, der aufgrund der angespannten Hochschulfinanzierung in Hamburg derzeit für Aufsehen sorgt. Beide Szenen stehen für eine interessante Entwicklung der Demonstrationskultur in Deutschland. Noch 2010 lautete die zentrale Erkenntnis der Bewegungsforschung, die Sitzblockade sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Heute gilt: Sie hat die schwarz-gelbe Randgesellschaft erfasst.

Bild: taz

MARTIN KAUL ist Bewegungsredakteur der taz.

Jutetüten und Protestaufnäher, lange Haare, Schlendrian - diese Topklischees, mit denen Demonstranten gerne an den gesellschaftlichen Rand verwiesen wurden, ziehen nicht mehr. Der Grund ist, dass den mannigfaltigen Protestformen, die die neuen sozialen Bewegungen seit den 60er Jahren hervorbrachten, heute zu Recht politische Effektivität zugebilligt wird.

Darauf greift längst nicht mehr nur das klassischerweise als links wahrgenommene Lager zurück. In Villengegenden rund um Berlin bauen die Bestbetuchten der Gesellschaft Barrikaden, um sich freien Seezugang zu sichern. In Hamburg stoppt das konservative Lager mit basisdemokratischen Mitteln eine progressive Schulreform - und nun nutzen Topakademiker für ihre Botschaften eine kühl berechnete Bambule. Das ist schön. Denn die Sitzblockade mit Schlips ist eine Errungenschaft.

Erstens verweist sie auf die Effektivität der Mittel, die sich außerparlamentarische Gruppen in Jahrzehnten erarbeitet haben. Zweitens - darüber möge sich freuen wer will: Wo Konservative auf der Straße hocken, da sind sie auch in der Defensive.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Martin Kaul
Reporter
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • M
    Max

    Mal abgesehen von dem unterirdischen Niveau dieses Artikels: Was genau macht ein "Bewegungsredakteur"? Ist das so ein neumodischer Luxusjob wie "personal shopper"? Oder soll das Deutsch für "Mitarbeiter im Sportteil" sein? Warum darf sich eigentlich jeder "Redakteur" nennen? Was muss man dafür können? Und kriegt man da echt Geld für? Und blöde wie ich arbeiten für Geld, da wäre es doch viel cooler, Erbe oder Redakteur zu sein.

  • K
    Kalle

    An diesen Beobachtungen gefällt mir vor allem die Erkenntnis, dass das Ergebnis der Hamburger Volksabstimmung ein basisdemokratisches ist, wie überhaupt per Definition jedes Ergebnis einer Volksabstimmung

  • G
    GFrank

    "Bekannt für seine neoliberalen Überzeugungen" - was soll diese Bemerkung? Mal abgesehen von der wie üblich völlig falschen Nutzung des Begriffes "neoliberal" - gemeint ist hier wie immer "manchester-liberal" erschließt sich mir die Aussagekraft dieses Hinweises nicht. Vielleicht ist Lenzen auch Bienenzüchter? Vegetarier? Mitglied im Verein zur Denkmalpflege? Trägt gerne Sneaker? Was soll das mit Demonstrationen zu tun haben? Wenn man natürlich Demonstrationen als eine pure Freizeitbeschäftigung gelangweilter Mitarbeiter des öD ansieht - wie. z.B. der Protest gegen Stuttgart 21 - mag das eine Aussagekraft haben. Wenn man Demonstrationen als außerparlamentarische Form der Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess ansieht, ist das irrelevant. Oder will der Autot etwa "Neoliberalen" (hihi!) das Recht auf diese Teilhabe verwehren?

    Ein richtig dummer, lebensunerfahrener Artikel.