Kommentar Konflikt in Nordirland: Böses Omen

Die Journalistin Lyra McKee wurde in Derry ermordet. Wahrscheinlich ist die New IRA dafür verantwortlich. Der Brexit spielt ihr in die Hände.

Blumen und eine Trauerkarte

Trauer am Tatort des Mordes an Lyra McKee Foto: reuters

Der Mord an der 29-jährigen Journalistin Lyra McKee, die in der Nacht zum Karfreitag in Derry, der zweitgrößten nordirischen Stadt, erschossen wurde, hat auf den ersten Blick nichts mit dem Brexit zu tun. Aber die Tat verdeutlicht, was passieren kann, wenn man bei den Brexit-Verhandlungen die irische Frage igno­riert, wie es die britische Regierung nach dem Referendum getan hat, bis es für einen Deal zu spät war.

Es waren immer wieder Aktionen der Londoner Regierung, die die Irisch-Republikanische Armee (IRA) stärkten. Die Hinrichtung der Anführer des dilettantischen Osteraufstands 1916, die Manipulation des Wahlrechts in Nordirland in den sechziger Jahren, durch die Katholiken von Kommunalwahlen weitgehend ausgeschlossen waren, der von London abgesegnete Mord an 14 unbewaffneten Demons­tran­ten 1972 in Derry und die von dem damaligen Nordirland-Minister Merlin Rees angeordnete Folter von Internierten haben der IRA stets Auftrieb gegeben.

Die Organisation hat ihre Waffen vor 20 Jahren niedergelegt, die Dissidenten der New IRA, die wahrscheinlich für den Mord an McKee verantwortlich sind, haben, anders als die alte IRA, keine Unterstützung in der Bevölkerung. Aber das kann sich ändern, wenn das Brexit-Chaos zur Schließung der inneririschen Grenze führt. Diese Misere hat auch mit der englischen Ignoranz zu tun. Obwohl die Grüne Insel Englands erste Kolonie war, kommt dies in den Schulbüchern kaum vor.

Durch das Herumlavieren beim Brexit rückt nicht nur die schottische Unabhängigkeit näher, sondern auch die Vereinigung von Nordirland und der Repu­blik Irland. Viele Nordiren, die eigentlich im Vereinigten Königreich bleiben wollen, halten ein vereinigtes Irland inzwischen für das kleinere Übel.

Sobald sich eine Mehrheit in diese Richtung bewege, hätten sowohl IRA als auch die Splittergruppe New IRA ihr Ziel erreicht – sie wären überflüssig. Dieser Augenblick rückt näher. Und dann hätten sich übrigens auch die Probleme mit dem Brexit-Deal, der wegen der Nordirlandfrage nicht durchkommt, erledigt.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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