Kommentar Kondomerlaubnis vom Papst: Männer werden Menschen
Der Papst erneuert mit der Kondomerlaubnis das Männerbild der Katholischen Kirche – allerdings nicht das von Männern im allgemeinen, sondern von Strichern.
W as haben sich die Kirchenkritiker über die lebensfeindliche Sexualdoktrin des Papstes entsetzt und erfolglos auf die vielen Menschenopfer hingewiesen, die sie Jahr um Jahr fordert. Die Katholische Kirche blieb in der Verachtung der Lust, der Pille und des Kondoms unerbittlich. Gerade in Sachen Aids waren ihre Ratschläge nicht selten tödlich.
Doch jetzt, wo alle Welt weiß, wie brutal viele Priester weltweit ihr Begehren gegenüber Schutzbefohlenen ausgelebt haben und es vielleicht immer noch tun -, jetzt läutet der Papst die große Denkwende ein. Er verlangt einen neuen Umgang mit dem männlichen Begehren - und zwar von Männern. Gewollt oder ungewollt, Benedikt runderneuert das Männerbild der Katholischen Kirche: Der Mann ist ihr nicht mehr das Tier, er ist nicht mehr seinen Trieben ausgeliefert.
Bislang oblag es aus Kirchensicht der Frau, das männliche Begehren mithilfe ihrer Züchtigkeit zu zügeln. Nun lässt der oberste Katholik die Frau aus dem Spiel und fordert den sexuell aktiven Mann auf, sein Begehren aktiv in Beziehung zu möglichen Folgen seines Handelns zu setzen. Lust und Moral bilden keine Gegenpole mehr. Der Mann wird als Verantwortlicher in Sachen Sexualität angerufen.
Ines Kappert leitet das Meinungsressort der taz.
Natürlich spricht der Papst nicht von Männern im Allgemeinen, sondern von sündigen Männern, von Prostituierten. Doch das neutralisiert das progressive Potenzial des angeratenen Kondomkonsums nicht: Denn es wird offiziell anerkannt, dass dem Sexgewerbe und devianten Sexualpraktiken nicht über das Verbot beizukommen ist. Daher ist nicht Enthaltsamkeit die Lösung, sondern Pragmatismus: Nimm ein Kondom.
Behaupte also niemand mehr, halsstarrige Institutionen seien nicht lernfähig. Sobald es ihren Männern an den Kragen geht, lassen sie Wunder geschehen.
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