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Kommentar Kolumbiens Geisel-KriseSieg der Kriegstreiber

Kommentar von Gerhard Dilger

Chávez' Vermittlungsmühen sind ergebnislos geblieben. Die FARC-Guerilla verharrt in ihrer Militärlogik, und Kolumbiens Präsident bestreitet, dass sich das Land im Krieg befindet.

K olumbiens Präsident Álvaro Uribe hat den Vermittlungsbemühungen seines venezolanischen Kollegen Hugo Chávez ein abruptes Ende gesetzt. Dafür nutzte Uribe eine Steilvorlage der Farc-Guerilla: Denn die Aufständischen lieferten nicht ein einziges Lebenszeichen ihrer Entführungsopfer während der gut drei Monate langen Friedensmission von Senatorin Piedad Córdoba, in die Chávez einbezogen worden war.

Bild: privat

GERHARD DILGER ist Korrespondent der taz in Lateinamerika.

Die Guerilleros, denen es sonst spielend gelingt, Videobotschaften unters Volk zu bringen, brüskierten damit auch ihren vermeintlichen Verbündeten Chávez. Denn sie wollen letztlich nicht, was er will: eine Friedenslösung in Kolumbien als ersten Schritt für eine Integration der südamerikanischen Nachbarn unter sozialistischem Vorzeichen. Ihr zynisches Spiel mit den Geiseln und deren Angehörigen verschaffte ihnen dank Chávez Vermittlertätigkeit eine politische Plattform wie schon seit Jahren nicht mehr. Vergeblich - wieder einmal erwiesen sie sich als Gefangene ihrer eigenen, fast ausschließlich militärischen Logik.

Fast ebenso borniert zeigte sich auf der Gegenseite Präsident Uribe. Wie eh und je bezeichnete er die Farc-Kämpfer stets als "Terroristen" und bestritt vehement, dass in Kolumbien ein Krieg herrscht, der seine Vorgeschichte in den sozialen Konflikten des Landes hat. Washingtons treuester Verbündeter, der seit Jahren Friedensgespräche mit der ELN-Guerilla führen lässt und trotz großer Zugeständnisse die Hydra der rechtsextremen Paramilitärs und Drogenhändler nur teilweise unter Kontrolle bekam, ist offenkundig ebenso wenig an einem ernsthaften Friedensprozess interessiert wie die Farc.

Ein Gefangenenaustausch wäre für ihn einer Anerkennung der Guerilla als Kriegspartei gleichgekommen - und dem Eingeständnis, dass er trotz der Milliarden aus Washington mit seiner Politik der "demokratischen Sicherheit" weder die Farc noch den Drogenhandel unter Kontrolle bringen kann.

Dass sich Chávez mit unbedachten öffentlichen Äußerungen oft selbst ein Bein stellt, ist nichts Neues. Auch seine Rolle als Friedensstifter stellte er durch mehrfache Indiskretionen in Frage. Doch nicht diese nahm Uribe jetzt zum Vorwand, um die Friedensmission zu beenden, die sich immer mehr zum Ärgernis der Falken in Washington und Bogotá auswuchs. Zumal sich Chávez in den letzten Tagen mehr denn je auf Distanz zur Farc gegangen war. Herhalten musste eine Unstimmigkeit, die sich diskret hätte bereinigen lassen.

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2 Kommentare

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  • S
    Stephan

    Ich finde es gut, dass sich Alvaro Uribe nicht mehr von den FARC und vom Hugo Chavez veräppeln lässt. Langsam aber sicher stellt sich raus, dass Chavez der eigentliche Chef der FARC ist, seine Hände im Drogengeschäft hat und mitbeteiligt ist in den Geiselnahmen. Was mir am besten gefallen hat war was ein ausgewiesener Botschaftsangehöriger über Venezuela und Ecuador sagte:

    " die haben den Mut Diplomaten auszuweisen, hoffentlich haben die eines Tages den gleichen Mut die Terroristen aus dem Land zu schmeissen!"

  • C
    Carlo

    Wer Kolumbien, dieses sehr schöne und auch an sich sehr reiche Land Südamerikas zwischen dem Atlantik und dem Pazifik kennt und nicht blind oder taub ist, der weiß was hier leider so abgeht.

     

    Natürlich mag zweifelsfrei KEINER die FARC, logisch ... und auch keiner mag Geiselnahmen! Deren Existenz muß doch ganz einfach jeder, auch nur halbwegs zivilisierte Mensch, ablehnen!

     

    Aber die FARC ebenso wie die ELN und auch die PARAS wie auch die vielen, vielen sonstigen Kriminellen sind leider Produkte dieser doch recht seltsamen Demokratie hierzulande, die offensichtlich schon eher mit einem Militär- oder Polizeistaat zu vergleichen ist. Die Politiker hierzulande nehmen bis auf ganz wenige Ausnahmen die Interessen und die Belange der Reichen wahr und kümmern sich doch höchst wenig um die vielen, vielen Armen, die in der Regel nur als billige Arbeitskräfte gesehen werden und dies auch bleiben sollen. Möglichst wenig und schlechte Bildung und Erziehung für die Armen! Deshalb schicken z.B. hier alle, die es sich leisten können, ihre Kinder auf Privatschulen. Umgekehrt wie in Deutschland zählen hier private Abschlüsse und nicht die staatlichen.

     

    Das kolumbianische Fernsehen ist praktisch gleichgeschaltet und dort wird gelogen und verdreht und kaum ein Beitrag ist ohne Nationalfahnen, Miltär oder Polizei. Es erinnert mich eindeutig schon an die NS-Zeit und an staatliche Propaganda.

     

    Wer Geld hat , der kann sich vom Wehrdienst freikaufen. Überhaupt mit Geld ist alles machbar und Recht und Gesetz sind weniger interessant.

     

    Es ist mir unerklärlich, daß der Präsident des Landes in sechs Jahren keine Verhandlungen mit den Rebellen führt, aber statt dessen immer mehr Waffen kauft und aufrüstet, gerade erst sind wieder von der Regierung 13 Kampfflugzeuge in Israel bestellt worden, Angeblich, weil die FARC so moderne Waffen hat. Bis zum Jahr 2010 soll auf jeden Fall die Truppenstärke um einige Tausend Mann erhöht werden!

     

    Die Geschichte und die Erfahrung lehren aber gerade, daß es immer besser ist mit fairen ehrlichen Verhandlungen und mit Diplomatie aller Beteiligter, Konflikte zu lösen, und nicht mit Waffengewalt! Natürlich gehört dazu auch die erforderliche Einsicht und Kompromißbereitschaft. Dies muß auch für Kolumbien gelten, auch wenn es hier praktisch schon seit Jahrhunderten, aufgrund der hier herrschenden gravierenden sozialen Unterschiede und Ungerechtigkeiten, bürgerkriegsähnliche Zustände gibt!

     

    Kolumbien ist in allem doch viel reicher als vergleichsweise Deutschland! Die Reichtümer des Landes müssen nur auch entsprechend vernünftig genutzt und gerecht verteilt werden.

     

    Mit mehr Bildung und mit besserer Erziehung aller Kolumbianer, sowie mit mehr Toleranz sollte es einer weisen und sozialbewußten demokratischen Führung kein übermäßig großes Problem sein, diesem herrlichen Land endlich Frieden, Freiheit und Wohlstand für alle zu geben und damit den Rebellen und Kriminellen deren "Nahrung" zu entziehen!

     

    Deutschland ist doch auch nach dem Ende des grausamen Krieges innerhalb nur weniger Jahre aus Schutt und Asche neu erstanden! Und wenn die Politiker Kolumbiens es ernsthaft und ehrlich wollen, dann werden sie das Volk auch dahin bringen können.

     

    Ich wünsche diesem wunderschönen und interessanten Land Kolumbien und seinen Bürgern einen dauerhaften FRIEDEN, denn den haben ausnahmslos ALLE KOLUMBIANER mehr als verdient!

     

    Aber für heute hoffe und wünsche ich, dass die 4 angekündigten Geiseln nun endlich ihre langersehnte und längst überfällige Freiheit erhalten!!!

    Das gilt natürlich entsprechend genauso für Ingrid Betancourt, aber selbstverständlich auch für die vielen anderen, nicht wohlhabenden, Kolumbianer die sich in der Hand der FARC oder anderer linker oder rechter Rebellengruppen befinden.