Kommentar Kochs Sparvorstoß: Verzicht auf Gestaltungsspielraum
Seit die hessische SPD-Chefin Ypsilanti Roland Koch eine neue Amtszeit schenkte, wusste er nichts Rechtes mit sich anzufangen. Nun hat Koch treffsicher Merkels Schwachpunkt erkannt.
Es war ein denkwürdiges zeitliches Zusammentreffen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch gab am Wochenende ein Interview, die Linkspartei tagte in Rostock. Beide kritisierten die schwarz-gelbe Krisenpolitik. Beide stellten Forderungen, die sich vor allem durch eines auszeichneten: durch den Verzicht auf jeden positiven Gestaltungsanspruch. Keine Schulden, sagt Koch. Keinen Sozialabbau, sagt die Linke. Es sind Programme aus einer Position der Angst.
Roland Koch ängstigte zuletzt die Perspektive der Bedeutungslosigkeit. Seit ihm die hessische SPD-Chefin Ypsilanti überraschend eine neue Amtszeit schenkte, wusste er nichts Rechtes mit sich anzufangen. Selbst im eigenen Landesverband entglitt ihm die Macht. Von seinen engeren Amigos war keiner mehr vorzeigbar genug für einen Ministerposten in Berlin, als sein Statthalter Franz Josef Jung zurücktreten musste. Auch die Hoffnung, unter Merkel noch einmal das Finanzressort zu leiten, hatte er wohl längst aufgegeben.
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Allerdings hat Koch treffsicher Merkels Schwachpunkt erkannt. Mit ihrer steuerpolitischen Achterbahnfahrt der letzten zwei Jahre hat die Kanzlerin auch Gutwillige verprellt. Erst schwäbische Hausfrau, dann Kanzlerin der Konjunkturpakete und Steuersenkungsversprechen, am Tag danach wieder die eiserne Saniererin: Das war dann doch zu viel Taktik und zu wenig Strategie.
Abenteuerlich sind allerdings auch die Argumente der Ministerpräsidenten. Erst im Dezember pressten sie Merkel Milliarden für die Bildung ab. Schon damals war klar, dass die Länderchefs das Geld nicht wirklich für Kitas, Schulen und Hochschulen ausgeben wollen. Dann gibt es für den Bund nur eines: Er muss es den Ländern wieder wegnehmen.
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