Kommentar Koalitionsfindungen in Berlin: Flexibel bis beliebig
SPD und CDU zeigen eindrucksvoll, wie man problemlos in eine Koalition flutscht. Politische Haltung ist dabei vor allem eins: egal!
Es soll ja Grüne geben, die sich immer noch fragen, warum es nicht geklappt hat mit dem rot-grünen Senat. Seit Freitag kommen nun diejenigen hinzu, die sich über das Scheitern der grün-schwarzen Zählgemeinschaft im Bezirk Mitte wundern. Dabei liegt der Grund auf der Hand: Die Grünen waren nicht geschmeidig genug, sie haben zu viel gewollt.
Wie man problemlos in eine Koalition flutscht, zeigen derweil SPD und CDU. Die Erfolgsformel ist schlicht: Der Schwächere gibt nach. Am besten auf ganzer Linie. Nehmen wir die Union: Monatelang stänkerte sie gegen den von der SPD aufgetischten neuen Polizeipräsidenten an. Nun darf die CDU auf Regierungsbeteiligung hoffen - und schweigt. Ähnlich nun die SPD in Mitte. Kaum droht eine grün-schwarze Zählgemeinschaft ihr den Bürgemeisterposten abzuluchsen, schon kriecht sie …, sorry, rollt sie der CDU den roten Teppich aus. Stadtentwicklungspolitik, mit der sie zuletzt punkten konnte? Darf die CDU machen! Grillverbote im Tiergarten? Gar! Kein! Pro! Blem!
Alles klar? Alles egal!
Aber will man so was? Es mag ja durchaus erfrischend sein, wenn Politiker mal ihre Scheuklappen ablegen. Und Kompromisse gehören zum Geschäft. Aber einige Politiker wechseln ihre Haltung schneller als die Unterwäsche. Als die Berliner im März gegen die Flugrouten protestierten, forderte die CDU ein strenges Flugverbot zwischen 22 und 6 Uhr. Als das nun vorm Bundesverwaltungsgericht scheiterte, freute sich CDU-Chef Frank Henkel, dass das Urteil auch der großen Bedeutung des Tourismus als wichtigem Wirtschaftsfaktor Rechnung trage. Alles klar? Alles egal! So schafft man Politikverdrossenheit? Ach, was soll's!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül