piwik no script img

Kommentar Knauserigkeit der KircheKalt und abweisend

Kommentar von Philipp Gessler

Die Arroganz muss den Kirchenoberen ausgetrieben werden durch die Scham vor ihrem eigenen Versagen und dem Versagen in ihren Bistümern.

Es ist ganz einfach und war auch zu befürchten: Beim Geld hört die Freundschaft eben auf. Da zeigt sich die katholische Kirche angesichts der Fälle sexuellen Missbrauchs reuig, wie es sich gehört für eine christliche Glaubensgemeinschaft. Da verspricht sie den Opfern Hilfe bei nötigen Psychotherapien. Doch wenn es konkret wird und die Geschädigten Kosten geltend machen wollen für therapeutische Maßnahmen, die die Kirche selbst nicht kontrollieren kann - da wird die allein selig Machende plötzlich so kalt und abweisend, wie sie auch sein kann und allzu oft ist. Es könnten ja ein paar tausend Euro in falsche Hände gelangen. Wie schäbig!

Das zeigt, was die katholische Kirche eben auch ist: ein Laden von Kirchenbeamten, denen - bis auf Ausnahmen - die Größe fehlt, über ihren eigenen Tellerrand hinauszuschauen und auch schmerzhafte Verantwortung zu übernehmen. Ein Tiefpunkt dieses absurden Kreisens um sich selbst, ja der höfischen Speichelleckerei war die eklige Solidaritätsadresse an den Papst in der Ostermesse auf dem Petersplatz. Da versicherte der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano, das Volk Gottes werde auf das Geplapper über den Missbrauchsskandal nicht hören. "Die ganze Kirche ist mit Ihnen", sagte er dem Papst.

Solange in der Hierarchie der Kirche ein solcher Geist herrscht, ist fast zu hoffen, dass der Missbrauchsskandal die Kirche noch lange durchrüttelt. Nur so kann ein Lerneffekt eintreten, dass das Kirchenvolk mehr ist als das klatschende Publikum, das die Bischöfe beizeiten so gerne hören. Die Arroganz muss den Kirchenoberen ausgetrieben werden durch die Scham vor ihrem eigenen Versagen und dem Versagen in ihren Bistümern. Die Übernahme von Kosten für Therapien und Entschädigungen kann für diesen Lerneffekt sehr hilfreich sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • H
    hto

    "Solange in der Hierarchie der Kirche ein solcher Geist herrscht, ist fast zu hoffen, ..."

     

    Wir leben "zusammen" im "freiheitlichen" Wettbewerb von und für die mal stumpf- mal wahnsinnige Hierarchie in materialistischer "Absicherung", wo die konfusionierende Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll ZEITGEISTLICH-reformistisch NORMAL ist - "Hoffnung", ist was für die "individualbewußt" gebildete Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche, wobei sich auch "fast" noch in der schizophrenen Realität von gleichermaßen Glaubens- und Bewußtseinsschwäche bewegt!?

  • GM
    Grégoire Mignon

    So klar liest man es selten: "Solange in der Hierarchie der Kirche ein solcher Geist herrscht, ist fast zu hoffen, dass der Missbrauchsskandal die Kirche noch lange durchrüttelt." Danke für die Selbstentlarvung! Welch ekliger Missbrauch mit dem Missbrauch.