Kommentar Klinikproteste: Demos an der falschen Stelle
Die Forderung nach mehr Geld für Kliniken ist berechtigt. Allerdings sollten sich die Proteste nicht an den Bund, sondern vor allem an die zuständigen Bundesläder richten.
Vielen Kliniken geht es schlecht. Ihre Kosten für Gehälter, Energie und Medikamente sind stark gestiegen. Doch ihre Ausgaben dürfen nur so stark steigen wie die Löhne der Beitragszahler - in diesem Jahr also gerade mal um 0,64 Prozent. Das ist der sogenannte Deckel, der seit 1994 die Kostensteigerung im Zaun halten soll. Im Kessel darunter staut sich der Druck. Deshalb forderten am Donnerstag rund 100.000 Klinikmitarbeiter in Berlin die "Rettung der Krankenhäuser" und: "Der Deckel muss weg." Die Forderung ist berechtigt. Aber sie greift viel zu kurz.
Denn diesen Deckel hat die Bundesgesundheitsministerin gerade rechtzeitig vor den Protesten am Mittwoch angehoben. Je nach Berechnung erhalten die Kliniken ab 2009 rund 1,4 bis 3 Milliarden Euro mehr. Klinikleitungen und Mitarbeitern mag das nicht genügen, doch entgeht ihnen dabei etwas Wichtiges: Die Bundesländer sind für Investitionen zuständig, aber seit Jahrzehnten entziehen sie sich immer mehr dieser Verantwortung. Ministerin Ulla Schmidt (SPD) mühte sich in den vergangenen Monaten, die Länder in die Pflicht zu nehmen - vergeblich. Vor allem die unionsgeführten Länder verwahrten sich gegen die vermeintliche Einmischung. Die Länder bleiben beim Protest weitgehend unbehelligt - auch weil Hospitäler, Kommunal- und Landesregierungen eng miteinander verquickt sind. Wo bleibt der Protestmarsch zu den Staatskanzleien in Düsseldorf oder Hannover? Die beiden CDU-regierten Länder investieren, pro Bett gerechnet, am wenigsten in ihre Kliniken.
Es gibt bei den Protesten aber noch einen anderen blinden Fleck. Die Verbandsfunktionäre gehen auch deshalb auf die Straße, weil sie fürchten, unter den 2.100 Kliniken im Lande drohe ein Massensterben. Doch dass Krankenhäuser geschlossen werden, muss keine Katastrophe sein. Braucht ein Bürger in seiner Nähe wirklich zehn Kliniken, die alle Behandlungen anbieten? Was spricht gegen die weitere Spezialisierung kleinerer Häuser - beispielsweise auf Orthopädie oder Rheumabehandlung -, wenn die Grundversorgung der Bürger gewahrt bleibt? Patienten brauchen nicht möglichst viele Kliniken in ihrer Nähe, sondern möglichst gute.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator