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Kommentar KlimaschutzpaketZeit für schlechte Nachrichten

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Wird das zweite Klimapaket unser Leben verändern? Nein, nur für Spediteure, Vermieter und Stromzählerproduzenten.

Bild: taz

Nick Reimer ist Redakteur im Ressort Ökologie und Wirtschaft der taz.

Nun ist es raus, das zweite Klimapaket, mit dem die Bundesregierung Deutschland zum Vorreiter im Kampf gegen die Erderwärmung machen will. Bis 2020 sollen mit ihm 35 Prozent der Treibhausgasemissionen von 1990 eingespart werden. Und? Wird sich nun unser Leben verändern?

Leider nein. Denn das zweite Klimapaket enthält neben dem Ausbau der Stromnetze ein paar Cent mehr Mautgebühr, verbesserte Dämmvorschriften für Hausbauer und neue Stromzähler - für die, die welche wollen. Wer also nicht gerade Spediteur, Vermieter oder Stromzählerproduzent ist, der wird vom nun beginnenden Klimaschutz in Deutschland gar nichts merken. Und das ist von der großen Koalition auch gewollt: Klimaschutz soll niemandem wehtun, und falls doch, gibt es - wie für Spediteure oder Eigenheimbesitzer - Ausnahmen und Ausgleichsregelungen.

Eine solche Politik kann nach der Logik des Problems gar nicht erfolgreich sein: Unser energiehungriger Lebensstil ist dafür verantwortlich, dass Treibhausgase die Erde erwärmen. Mit über 10 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf gehören die Deutschen zu den größten Klimasündern weltweit. Würden Chinesen, Inder und Vietnamesen auch nur halb so viel Kohlendioxid pro Kopf produzieren - die Welt wäre unrettbar.

Wirksamer Klimaschutz wird deshalb wehtun, eben weil wir auf lieb gewonnenen Luxus verzichten müssen. Ein Tempolimit von 120, eine wirksame Klimasteuer aufs Fliegen, eine neue Stufe der Ökosteuer - ohne eine Politik, die alle in die Klimaschutzbemühungen einbezieht, wird es keine Wende in ein kohlenstoffärmeres Zeitalter geben. Es ist leicht, immer nur die Industrie zu mehr Klimaschutz zu animieren. Die Wende ist nur zu schaffen, wenn alle an der Aufgabe mitarbeiten.

Mal angenommen, die vorgelegten Instrumente würden tatsächlich das 35-Prozent-Ziel erreichen lassen: Die Wissenschaft sagt uns, dass Deutschland seine Treibhausgasproduktion bis 2050 um 80 Prozent reduzieren muss. Deshalb ist es billig, wenn sich die schwarz-rote Regierung für das zweite Klimaschutzpaket nun lobt. Lob wäre angebracht, wenn sie den Wählern klarmachen würde, dass ihr Leben so nicht weitergehen kann.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
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1 Kommentar

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  • KD
    Kenny Dixon Jr.

    Muss wirksamer Klimaschutz im Jahr 2008 in Deutschland wirklich wehtun? Oder sollte er nicht für alle Beteiligten so angenehm wie möglich gestaltet werden und am Ende sogar noch Spaß machen? Anstatt die von Umweltschützern ungeliebten Verkehrsmittel Auto und Flugzeug unattraktiver zu gestalten, wäre es doch sicher für die Bürger angenehmer und für den Umweltschutz wirksamer, sowohl im Falle des Autos als auch des Flugzeugs den Öffentlichen Personennah- und Fernverkehr attraktiver zu gestalten.

    Ob es immer der leichtere Weg ist, die Industrie zu mehr Klimaschutz zu animieren, lässt sich wohl nicht pauschal beantworten. In vielen Fällen ist es sicher der richtige und entscheidende Weg. Wenn China jedes Jahr 5000 km neue Autobahnen baut und dem Autoverkehr dort massive Zunahmen prognostiziert werden, erreichen wir mit einem Tempolimit in Deutschland für den Klimaschutz nichts. Mit der Entwicklung von effizienteren Fahrzeugen und Antrieben, die eben dann auch auf chinesischen und indischen Straßen unterwegs sind, dagegen sehr wohl.

    Die Kunst ist es, den lieb gewonnen Luxus für die Umwelt verträglich zu gestalten und nicht zu verteufeln. Wer natürlich Luxus nicht mag, der möchte ihn halt am liebsten abschaffen.