Kommentar Kirgisien: Steinmeier im Kriechgang
Die Kirgisen wollen möglicherweise mehr Geld für eine US-Militärbasis in ihrem Land herausschlagen. Doch Washington zockt nicht mit. Die USA sind in Zentralsien nicht erpressbar. Deutschland schon.
Die USA lassen sich in Zentralasien nicht erpressen. Die Kirgisen wollen - da sind sich die Beobachter einig - mehr Geld für eine US-Militärbasis in ihrem Land herausschlagen. Doch Washington zockt nicht mit. Die USA machen klar, dass sie lieber gehen, als sich von Präsident Bakijew vorführen zu lassen.
Noch haben die US-Truppen Kirgisien allerdings nicht verlassen. Es ist möglich, dass die Kirgisen trotz des Parlamentsbeschlusses umdenken, wenn der Auszug der Amerikaner kurz bevorsteht, das versprochene Geld aus Russland aber auf sich warten lässt. Solche Richtungswechsel sind in Zentralasien häufig. Das wissen auch die Amerikaner.
2005, nach dem Massaker von Andischan, kassierten die USA schon einmal einen Rauswurf, damals aus Usbekistan. Zuvor hatte Washington die blutige Niederschlagung des Aufstandes in Andischan deutlich kritisiert und sich gegen den Willen des usbekischen Präsidenten Islam Karimow für die Rettung der usbekischen Flüchtlinge eingesetzt. Washington weiß, dass sich in Zentralasien immer ein Land findet, das eine Basis anbietet. Die Staaten zwischen Kaspischen Meer und chinesischer Grenze sind wirtschaftlich zerrüttet und untereinander im Streit - einer der Despoten wird schon "Hier" rufen. Zentralasien hat zudem Interesse an einer Stabilisierung in Afghanistan, denn da brennt der Baum an der Landesgrenze. Bezeichnend genug ist dabei, dass gerade der usbekische Diktator Karimow in diesen Tagen die USA heftig umgarnt - trotz des Rauswurfes vor vier Jahren.
Der deutsche Außenminister Steinmeier sollte sich das genau ansehen. Deutschland unterhält im usbekischen Termes eine Basis und koordiniert von dort den Afghanistaneinsatz. Um diesen Luftwaffenstützpunkt nicht zu gefährden, befindet Steinmeier sich im Dauerkriechgang vor dem usbekischen Präsidenten. Steinmeier täte aber im Gegenteil gut daran, sich nicht zum Lakaien eines Despoten zu machen, sondern kühl auf den Nutzen des Afghanistaneinsatzes der Isaf für Usbekistan zu verweisen und dabei einen Abzug der Bundeswehr nicht auszuschließen. Es ist wie beim Pokern, starke Nerven und nicht eilfertige Unterwerfung sind gefragt. MARCUS BENSMANN
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