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Kommentar KaukasusRusslands Schicksalsregion

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Der Kaukasus bleibt ein Unruheherd. Putin ist mit seinem Konzept gescheitert, den Nordkaukasus mit Gewalt zu befrieden und beherrschbar zumachen.

N och ist nicht geklärt, wer das Attentat auf dem Flughafen Domodjedowo verübte. Auch wenn es sich nicht um einen Terroristen aus dem Nordkaukasus handeln sollte, ändert dies nichts am Befund: Moskaus südliche Peripherie ist nicht mehr nur ein Pulverfass, der Kaukasus ist zu Russlands Schicksalsregion geworden. Wladimir Putins Konzept, die unbändige Bergwelt mit Gewalt zu befrieden, ist fehlgeschlagen.

Die Machtvertikale des Putinismus, die schon das Kernland kaum im Griff hat, versagt im Nordkaukasus auf ganzer Linie. Zehn Jahre brauchte der Kreml, um diese Region in seine eigene Ohnmachtszone zu verwandeln. Die Chance zum zivilen Ausgleich ist vertan.

Die Vergeltungsschwüre und Flüche nach dem feigen Blutbad unterstreichen nur die Rat- und Machtlosigkeit des Führungsduos. Kraftmeierei spornt Terroristen eher an, die Spirale der Gewalt weiterzudrehen.

Der Kaukasus ist ein hochkomplexes und kompliziertes Gebilde. Keine Republik und keine Ethnie gleicht der anderen. Es reicht nicht aus, die Probleme der Region auf den islamistischem Terror und unfähige Sicherheitsstrukturen zu reduzieren. Selbst die verheerenden sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen in der Bergregion erklären nicht alles.

Klaus-Helge Donath

ist Russland-Korrespondent der taz.

Auch die ethnischen Zwistigkeiten und der Nepotismus einer korrupt-kriminellen von Moskau unterstützten Elite, die die Bevölkerung mit stiller Duldung des Kreml aussaugt und sie überdies verachtet, beschreiben die Gemengelage noch nicht ausreichend. Auch die rassistische Haltung Russlands gegenüber den Kaukasiern hat tiefe Spuren hinterlassen.

Die politische Führung unterscheidet sich in ihrer Geringschätzung der kaukasischen Völker kaum vom chauvinistischen Pöbel. Russland hat den Kaukasus im 19. Jahrhundert blutig unterworfen. Der Kolonialherr verstand es seither nicht, die Region auch zu einem gleichberechtigten Teil des Imperiums zu machen.

Im russischen Unterbewusstsein blieb sie immer ein strategischer Rand, der von anderen Völkern bedauerlicherweise noch besiedelt ist. Bis heute hat sich diese imperiale Hochnäsigkeit erhalten. Sie drückt sich darin aus, dass sich die Kolonialmacht nicht die geringste Mühe gibt, die Schwierigkeiten der Region zu verstehen. Daher ist der Terrorismus auch Teil eines Dekolonialisierungsversuchs.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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1 Kommentar

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  • G
    gregor

    Natürlich und selbstverständlich laut sagen - Putin, Du bist ein Versager! Wir wollen was Besseres. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“. Aber bevor dieser Putin geht, sollte man doch fragen, was er getan hat für den Kaukasus. Als er an die Macht kam, gab es nur eine Wahl und es war Krieg. Ein Krieg, damit man einen Krieg verhindert, bei dem man genug Blut hätte, um alle Schneeberge des Kaukasus rot färben zu lassen. Damals standen alle Tschetschenen unter Waffen und die anderen Völker griffen nach den Waffen. Und diesen totalen Krieg hat Putin verhindert mit Gewalt. Heute stehen die Völker des Kaukasus vor einer Wahl zwischen dem Frieden und dem Krieg. Sie können sie für den Frieden entscheiden. Ja, tausende von Tschetschetschen und Dagestaner haben immer noch die Waffen in der Hand, aber das Volk hat die Waffen abgelegt und das ist dem Putin zu verdanken.