Kommentar Karstadt: Keine Staatshilfe für Arcandor
Der Kaufhauskonzern ist schon seit Jahren vom Konkurs bedroht. Der Staat würde daher ein marodes Unternehmen subventionieren, das diese Finanzspritze nicht verdient hat.
W irtschaftsminister zu Guttenberg hat Recht, wenn er zögert, Arcandor bedingungslos zu unterstützen. Denn die Karstadt-Mutter steuert nicht auf die Pleite zu, weil sie plötzlich von der Finanzkrise überrascht wurde - stattdessen ist der Konzern schon seit Jahren vom Konkurs bedroht. Der Staat würde ein marodes Unternehmen subventionieren, das diese Finanzspritze nicht verdient hat.
Zudem dürfte das Staatsgeld verloren sein. Denn Karstadt verfügt nicht über ein Geschäftsmodell, das noch Zukunft hätte. Die Ära der Kaufhäuser geht nach rund hundert Jahren zu Ende, weil ihnen eine tödliche Konkurrenz erwachsen ist: das Shopping-Center. 1990 gab es rund 90 dieser gigantischen Einkaufswelten, die Konsum und Freizeit verbinden. Ende 2007 waren es schon 563, wie das Institut für Gewerbezentren gezählt hat. Und der Boom geht weiter, längst sind neue Malls im Bau. Da ist es kein Wunder, dass den 121 Karstadtfilialen der Republik die Kundschaft ausgeht.
Und was ist mit den Arbeitsplätzen, die bei Karstadt verloren gingen?! Diese empörte Frage fehlt nie, wenn es darum geht, staatliche Subventionen einzufordern. Doch dieses Totschlag-Argument ignoriert, dass in den neuen Shopping-Malls auch neue Arbeitsplätze entstanden sind. Der Umsatz im Einzelhandel wird nicht sinken - er teilt sich nur neu auf. In diesem Prozess hat der Staat nichts zu suchen.
Trotzdem bleibt es bitter für jeden Karstadt-Mitarbeiter, der seinen Job verliert. Viele können sich ausrechnen, dass sie in einem Jahr Hartz IV beziehen. Daher ist die Panik der Verkäuferinnen nur zu berechtigt. Ihnen hilft man jedoch nicht durch Subventionsmillionen, die wirkungslos verpuffen. Das Geld wäre viel sinnvoller investiert, wenn endlich die Hartz-IV-Sätze nach oben korrigiert würden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens