Kommentar Jugendliche und Alkohol: Die autoritäre Versuchung

Es ist mehr als ärgerlich, wie jugendliches Fehlverhalten dazu genutzt wird, nach verschärften Strafen zu rufen.

Es ist keine gute Idee, wenn Jugendliche sich sinnlos betrinken. Nicht erfreulich ist es auch, wenn sie gewalttätig werden, klauen oder die Schule schwänzen. Möchte jemand diesen Binsenweisheiten widersprechen? Oder lieber konkrete Fälle schildern? Es sind genug im Angebot. Je spektakulärer sich jugendliches Fehlverhalten beschreiben lässt, desto besser eignet es sich für alarmistische Trendmeldungen und für den donnernden Ruf nach verschärften Strafen. Kurz: zur eigenen Profilierung. Es wird allmählich ärgerlich.

Der Prozess gegen einen Berliner Wirt, der einem 16-Jährigen mindestens 45 Tequila einschenken ließ, ist dafür ein gutes Beispiel. Die Abgabe von Schnaps an Minderjährige ist strafbar. Über die Höhe der Strafe hat ein Gericht entschieden. Punkt. Zwischen diesem - extremen - Einzelfall und dem Alkoholkonsum von Jugendlichen insgesamt eine direkte Linie zu ziehen, ist populistisch. Und wenig hilfreich. Wenn bei entsprechenden Untersuchungen 12-bis 17-Jährige in einer Gruppe zusammengefasst werden, dann ist das weltfremd. So weltfremd, dass der Verdacht aufkommt, die Statistik werde überhaupt nur erstellt, um ein bestimmtes, erwünschtes Ergebnis belegen zu können. Als ob kein Unterschied bestünde zwischen einem 17-Jährigen, der sich im letzten Jahr einmal betrunken hat, und einem 12-Jährigen, der dasselbe einmal im Monat tut!

Unterschieden wird ohnehin selten. Jugendliche - selbst Kinder - werden im öffentlichen Raum fast nur noch als Problem wahrgenommen: Wenn sie in Medien vorkommen, dann saufen sie, sind respektlos, sind faul. Oder aggressiv.

Konsequenz: die Forderung nach Rückkehr des autoritären Elements in der Erziehung. Macht sich gut, stürmt Bestsellerlisten. Und dürfte wenig zur Lösung im Einzelfall beitragen.

Nichts spricht gegen eine bessere Überwachung des Alkoholausschanks an Jugendliche, nichts wäre dagegen zu sagen, wenn bei Klassenreisen keine All-inclusive-Angebote mehr gebucht werden dürften.

Aber es wäre schon nett, wenn Ältere - selbst Journalisten und Politikerinnen - sich an ihre eigenen Initiationsriten erinnerten. Niedriger hängen, bitte.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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