Kommentar John McCain: Der Alte und das Alphatier
McCain hat es bisher nicht geschafft, gegen Obama im Wahlkampf gut auszusehen. Aber: Obamas Omnipräsenz kann zum Überdruss führen. Und ein Anschlag spielt McCain in die Hände.
Bernd Pickert ist Redakteur im taz-Auslandsressort und zuständig für die beiden Amerikas.
Er ist konservativ, alt, unansehnlich. Zudem ist er ein schlechter Redner und steht für mehr von dem, wovon nach acht Jahren George W. Bush kaum noch jemand mehr etwas hören will. Es gibt tausend Gründe, sich mit John McCain (71) nicht beschäftigen zu wollen. Aber es gibt einen wichtigen Grund, es doch zu tun: Er könnte im November die US-Wahlen gewinnen.
Das Rennen um das Weiße Haus ist keineswegs so ausgemacht, wie es die Sympathiewerte Obamas erscheinen lassen. Wenn die Wirtschaft und die soziale Frage bis November in den USA das Hauptthema bleiben, wird Obama wohl gewinnen. Bringen internationale Entwicklungen oder gar ein neuer Anschlag auf amerikanischem Boden die nationale Sicherheit und den Antiterrorkampf zurück auf die Agenda, dann stehen die Karten gut für McCain. Fast doppelt so viele US-Amerikaner sehen ihn gegenüber Barack Obama als fähigeren Oberkommandeur an.
John McCain hat bislang einen ausgesprochen miserablen Wahlkampf geführt. Über ein Vierteljahr vor Barack Obama stand er bereits als Kandidat der Republikaner fest. Doch diesen Vorsprung hat er nicht ausnutzen können. Im Gegenteil: Die Aufmerksamkeit der Medien verweilte nur umso länger bei Barack Obama. Und im direkten Fernsehvergleich sah der Senator aus Arizona von Tag zu Tag noch älter aus, als er schon ist.
Obama ist das Alphatier, an dem sich nicht nur die Medien abarbeiten, sondern auch John McCain. Obwohl wesentlich erfahrener in der Frage, wie sich politische Konzepte und Ideen in Washington tatsächlich umsetzen lassen, hat McCain es bislang nicht geschafft, sich auch nur bei einem einzigen der Kernthemen dieses Wahlkampfs als Meinungsführer durchzusetzen. Nur: Wer die Dynamiken von US-Wahlkämpfen kennt, dem kann beim jetzigen Stand angst und bange werden. Obamas aktuelle Omnipräsenz kann zum Überdruss führen. In den letzten Wahlkampfwochen kann das entscheidend sein. Und wenn dieser Wahlkampf noch schmutzig wird, worauf man sich verlassen sollte, dann dürfte sich das vor allem gegen den Favoriten wenden. Denn Obama macht einfach mehr Spaß - das gilt beim Jubel wie beim Bashing.
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