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Kommentar JobcenterAlles, nur kein Meisterstück

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Die Grundgesetzänderung ist kein Musterbeispiel staatstragender Verantwortung, wie jetzt alle Beteiligten suggerieren. Parteiinteressen schimmern deutlich durch.

E s ist eine gute Nachricht für die knapp 7 Millionen Menschen, die in Deutschland auf Hartz IV angewiesen sind: Union, FDP und SPD haben sich in einer großen Koalition darauf verständigt, das Grundgesetz zu ändern. Ihr Ziel ist, die Jobcenter in ihrer jetzigen Form beizubehalten. Das ist erfreulich - aber nicht etwa deshalb, weil die Jobcenter perfekt arbeiten würden. Die jährliche Klageflut gegen Hartz IV vor deutschen Sozialgerichten belegt eindrucksvoll, dass diese schematisierte Sicherung individuellen Notlagen oft Hohn spricht.

Man muss es andersherum sehen: Der Kompromiss ändert nichts an den großen Ungerechtigkeiten von Hartz IV, aber er verhindert Schlimmeres. Denn die Alternative hätte noch mehr Chaos bedeutet. Die jetzt geplante Grundgesetzänderung stellt immerhin sicher, dass die Betroffenen Leistungen bei den sogenannten Argen auch in Zukunft aus einer Hand erhalten. Wenn die Regierung aber die Zuständigkeiten auf Kommunen und Jobcenter verteilt hätte, wäre der Behördenwirrwarr verdoppelt worden - zwei Ansprechpartner, zwei Formulare, zwei Wege für jeden Arbeitslosen.

Allerdings ist die Grundgesetzänderung auch kein Musterbeispiel staatstragender Verantwortung, wie jetzt alle Beteiligten suggerieren. Parteiinteressen schimmern deutlich durch. So werden zum Beispiel die Optionskommunen ausgeweitet, die eigenverantwortlich Arbeitslose betreuen dürfen. Damit verbinden die FDP und Hessens Ministerpräsident Roland Koch die Hoffnung, die Arbeitsagentur zu schwächen, die sie für ein Bürokratiemonstrum halten.

Bild: anja weber

Ulrich Schulte ist Leiter des Inlandsressorts bei der taz.

Dieser Weg - Arbeitslose regional und weniger zentralisiert zu betreuen - ist wenig erforscht, und er birgt Chancen und Risiken. So brachten die Kommunen weniger Arbeitslose in Jobs, hatten jedoch eher einen ganzheitlichen Blick auf die Menschen mit ihren sozialen Problemen. Sicher ist: Als Experimentierfeld taugt die Arbeitsmarktpolitik nicht, denn es geht um Existenzen.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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3 Kommentare

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  • W
    Wollux

    Irgendwie will es mir nicht einleuchten, die Vermittlung zum Puzzle legen als "Erfolg" zu sehen - ob nun mit oder ohne Grundgesetzänderung. Auch das achte oder zehnte "Bewerbungstraining" nutzt doch nur noch der Statistik und der Helferindustrie!

     

    Jetzt redet man wieder von 100 000 Stellen bei den Kommunen und die sind meist Pleite und können schon ihren Regelaufgaben nicht mehr nachkommen. Das GG wird geändert, das Problem bleibt das gleiche! So ist Politik.

  • H
    Harald

    Nun doppelte Wege hin oder her, ich kenne jemanden, der einen Minijob anfing und 14 Mal zur Behörde antanzte, weil die damit irgendwie nicht glücklich waren. Warum auch immer - ob man nun 14 Mal zu ARGE oder 15 Mal zu zwei Behörden geht, so richtig kann ich den Vorteil nicht erkennen, aber mir fehlt wohl auch die große Perspektive.

    Ich würde sagen, diese ganze Reform ist ein Fehler und der kostet nicht nur viel Geld, sondern er geht auch mit viel Nerverei und fehlgeleiteter Energie einher.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Wie wird die Kompetenzüberschreitung, z.B. bei Kürzungen gestoppt? So kommt alles in eine Mühle und die Demütigung ist größer.